Digitales Zentralbankgeld

Noch viele offene Fragen beim digitalen Euro

Bis zur möglichen Einführung des digitalen Euros wird es noch Jahre dauern. Der Europäischen Zentralbank (EZB) muss es bis dahin gelingen, Zweifel bei Verbrauchern und in der Finanzindustrie auszuräumen.

Noch viele offene Fragen beim digitalen Euro

Viele offene Fragen beim digitalen Euro

EZB läutet nächste Phase ein – Noch weiter Weg bis zur Einführung – Bedenken bei Bevölkerung und im Finanzsektor

Der digitale Euro nimmt die nächste Hürde und befindet sich ab November in der sogenannten Vorbereitungsphase. Bis zur möglichen Einführung wird es jedoch noch Jahre dauern. Und der Europäischen Zentralbank (EZB) muss es bis dahin gelingen, Zweifel bei Verbrauchern und in der Finanzindustrie auszuräumen.

ms/mpi Frankfurt

Der digitale Euro hat die nächste Hürde genommen, bis zu einer möglichen Einführung wird es jedoch noch Jahre dauern. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschloss am Mittwoch, eine auf zwei Jahre angelegte Vorbereitungsphase für eine digitale Zentralbankwährung des Euroraums zu beginnen. Sie startet ab November.

„Ein digitaler Euro würde die Effizienz europäischer Zahlungen steigern und zur strategischen Autonomie Europas beitragen“, sagte Fabio Panetta, EZB-Direktoriumsmitglied und Vorsitzender der Taskforce zum digitalen Euro. „Wir müssen unsere Währung auf die Zukunft vorbereiten“, schloss sich EZB-Präsidentin Christine Lagarde an.

Mehr Souveränität

Die EZB will durch den digitalen Euro eine Alternative zu vorhandenen Zahlungsdienstleistern schaffen. Dadurch soll der Euroraum unabhängiger von – derzeit meist amerikanischen – privaten Anbietern werden. Dieses Anliegen stößt bei Verbraucherschützern oder dem Digitalverband Bitkom auf positive Resonanz. „Ein digitaler Euro kann die Wettbewerbsfähigkeit und Souveränität Europas nachhaltig stärken“, meint etwa Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder.

Ausgesprochen positiv äußert sich auch die Europa Union Deutschland: „Wir sind von dem Nutzen des digitalen Euro für jeden einzelnen europäischen Bürger überzeugt“, erklärte die größte, überparteilich proeuropäische Bürgervereinigung hierzulande. Die Erwartung sei, dass der digitale Euro sicherer, schneller und kostengünstiger sein werde als traditionelle Zahlverfahren. Er biete Komfort und Einfachheit bei grenzüberschreitenden Transfers und fördere damit den Binnenmarkt. Nach den bisherigen Vorschlägen dürften Vertraulichkeit und Datenschutz sichergestellt werden, argumentiert die Europa Union.

Doch der digitale Euro steht noch vor großen Herausforderungen. Viele Verbraucher sind mit dem Projekt nicht vertraut. Bei einer Befragung des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) gab rund ein Drittel an, nichts darüber zu wissen. Drei Viertel derjenigen, denen der digitale Euro ein Begriff ist, sind nicht vom Nutzen einer digitalen Zentralbankwährung überzeugt. Die Verbraucher muss die EZB davon überzeugen, denn ein digitaler Euro wäre – sofern er denn kommt, was aber als wahrscheinlich gilt – ein zusätzliches Angebot zu Bargeld und digitalen Bezahlmethoden privater Anbieter.

Die EZB wirbt neben der Unabhängigkeit von Mastercard und Co. damit, dass das Bezahlen mit dem digitalen Euro kostenlos sein soll. Außerdem soll er auch offline funktionieren, Leuten selbst ohne Bankkonto zur Verfügung stehen und hohe Datenschutzstandards berücksichtigen.

Baustelle Datenschutz

Gleichzeitig muss der digitale Euro jedoch auch gegen Geldwäsche gewappnet sein – ein Spannungsfeld mit dem Datenschutz. Die Vorstellung der EZB sieht vor, dass die Intermediäre des digitalen Euro, etwa Banken, ähnlich wie bei bisherigen digitalen Zahlungsmethoden die Identität der Nutzer kennen. Die EZB jedoch nicht, da dies nicht für die Abwicklung nötig sei.

Auch bei Banken und in der Finanzindustrie insgesamt gibt es Bedenken, was die Ausgabe einer digitalen Zentralbankwährung betrifft. Sie befürchten negative Auswirkungen auf das eigene Geschäftsmodell und die Finanzstabilität, wenn der digitale Euro von EZB und Gesetzgeber nicht richtig ausgestaltet wird. Damit Verbraucher ihr Geld nicht als digitalen Euro bei der Zentralbank parken, da diese nicht Gefahr läuft, zahlungsunfähig zu werden, soll es ein Haltelimit geben. Wie hoch dieses ausfallen soll, ist noch nicht beschlossen. Die Rede ist von möglicherweise 3.000 Euro.

Bedenken der Finanzindustrie

Wie gespalten die Finanzbranche beim Thema digitaler Euro ist, zeigt eine Umfrage des Center for Financial Studies (CFS) aus dem August. Hier hatten 45,9% der befragten Fach- und Führungskräfte in der deutschen Finanzindustrie die Einführung eines digitalen Euro für „wünschenswert, aber nicht unbedingt erforderlich“ gehalten. Mehr als jeder achte Panelteilnehmer hielt einen digitalen Euro für zwingend notwendig (14,1%). Andererseits hatten mehr als ein Viertel der Befragten (26,4%) einen digitalen Euro für nicht nötig angesehen, weil die bestehenden Zahlungsmöglichkeiten bereits ausreichen würden. 12,5% der Teilnehmer lehnten den digitalen Euro sogar ab. „Die Umfrageergebnisse zeigen, dass die EZB die Vorteile eines digitalen Euro noch deutlicher herausstellen sollte. Denn bislang ist ein erheblicher Teil des Marktes noch verunsichert“, hatte Volker Brühl, Professor am CFS, zu den Umfrageergebnissen gesagt.

Eine klare Mehrheit der Befragten (53,3%) war in der Umfrage der Meinung, dass ein digitaler Euro nur über Kreditinstitute ausgegeben werden sollte, wie es die EZB derzeit plant. Lediglich 27,8% sprachen sich dafür aus, dass ein digitaler Euro direkt über die EZB ausgegeben werden sollte. „Der digitale Euro darf auf keinen Fall dazu führen, dass die Stabilität unseres zweistufigen Bankensystems geschwächt wird. Daher sollte den Kreditinstituten eine zentrale Rolle bei der Ausgabe des digitalen Euro zukommen“, so Brühl.

Tatsächlich wird in diesem Zusammenhang häufig die Frage diskutiert, ob die Einführung eines digitalen Euro das Risiko eines Bunk Run erhöhen würde. Nicht zuletzt Ex-Bundesbankpräsident Jens Weidmann hatte diese Gefahr immer wieder betont und deswegen Vorsicht angemahnt. Die CFS-Umfrage zeigte da ein uneinheitliches Bild unter den Finanzexperten. 48,6% der Panelteilnehmer sahen ein erhöhtes Risiko, während 42,9% kein erhöhtes Risiko sahen.

EPI als Alternative

Zu den größten Kritikern des Projekts gehört der frühere Wirtschaftsweise und Wirtschaftsprofessor Peter Bofinger. Erst vergangene Woche hatte Bofinger seine Kritik in einem Gutachten im Auftrag der Bundessparte Bank und Versicherung der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) zusammengefasst. Der Nutzen sei kaum erkennbar, die Kosten seien voraussichtlich hoch und die Risiken nicht gering, so Bofingers Kernbotschaft. „Mit dem Projekt des digitalen Euro hat sich die EZB auf einen riskanten Weg begeben“, so Bofinger. Den Geschäftsbanken zwinge die EZB eine Lösung auf, „die für diese selbstzerstörerische Elemente aufweist“.

Als bessere Alternative zum digitalen Euro sieht Bofinger die European Payments Initiative (EPI). „In Gegensatz zum digitalen Euro kann man hierfür die bestehenden Zahlungsverkehrs-Infrastrukturen nutzen und die EPI die gesamte EU sowie die Schweiz und das Vereinigte Königreich wäre der Verbreitungsbereich deutlich größer als der des digitalen Euro, der lediglich auf den Euroraum begrenzt wäre“, heißt es in dem Gutachten.

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