Notbremse
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat auf dem Schlingerkurs durch die Corona-Pandemie die Notbremse gezogen. Nach der vehementen Kritik insbesondere aus der Wirtschaft stoppte Merkel die am Dienstagmorgen zusammen mit den Länderchefs verkündete „Ruhepause“ für die Ostertage. Der Beschluss sei ein Fehler gewesen, erklärte sie nur 32 Stunden nach der Einigung in einer eilig einberufenen Video-Schalte mit den 16 Ministerpräsidenten und kurz darauf im Bundestag.
Die Entscheidung sei mit der Absicht getroffen worden, die dritte Infektionswelle zu bremsen, erklärte die Kanzlerin. Eine Umsetzung, bei der Aufwand und Ertrag in einem vernünftigen Verhältnis gestanden hätten, habe sich aber als nicht durchführbar erwiesen. „Ein Fehler muss als Fehler benannt werden, und vor allem muss er korrigiert werden“, sagte Merkel und übernahm die alleinige Verantwortung. „Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler.“
Die Entscheidung der Kanzlerin nötigte nicht nur manchem politischen Gegner Respekt ab. Auch aus der Wirtschaft, die den harten Lockdown über Ostern unter anderem wegen ungeklärter arbeitsrechtlicher Fragen, drohenden bürokratischen Aufwands für Anlagen, die an einem „Ruhetag“ nicht stillstehen können, zusätzlicher Umsatzeinbußen und neu entstehender Unsicherheit kritisiert hatte, kamen fast unisono versöhnliche Töne. Auch er habe während der Pandemie schwierige Entscheidungen gefällt und manche wieder zurücknehmen müssen, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Merkel habe mit ihrer mutigen Entscheidung Führungsstärke bewiesen.
Die Kanzlerin mobilisiert mit ihrem Eingeständnis noch einmal ihr ganzes politisches Kapital. Ob das reicht, um sechs Monate vor der Bundestagswahl trotz immenser Corona-Frustration auf allen Seiten den Vertrauensverlust gegenüber den politisch Verantwortlichen zu stoppen und auf dieser Basis einen effektiven Weg aus der Pandemie zu organisieren, den auch die Unternehmen mitgehen können?
Ein ehrlicher Umgang mit Fehlern ist ein guter Anfang. Ehrlich machen muss sich aber nicht nur die Kanzlerin. Denn die dritte Infektionswelle rollt, und ohne Ruhepause über Ostern gibt es für das Virus ein Hindernis weniger. Das ist gut, solange andere Hürden mit geringeren wirtschaftlichen und sozialen Kosten errichtet werden. Der Vorwurf, es sei allein auf das Versagen der Regierung zurückzuführen, dass es diese Alternativen nicht gibt, wird allein nicht reichen, um das Virus bis zum Erfolg der Impfkampagne auszubremsen.