Notenbanken brüten über Brexit

US-Währungshüter uneins über Folgen für Geldpolitik - Riksbank vertagt Zinswende - EZB fordert Klarheit

Notenbanken brüten über Brexit

Das Votum der Briten für den EU-Ausstieg hält Politiker, Investoren und auch die Notenbanker weltweit in Atem. Die Unsicherheit über die möglichen Folgen ist immens.BZ Frankfurt – Nach dem Brexit-Referendum in Großbritannien sind die US-Währungshüter uneins über die Auswirkungen auf ihre Zinspolitik. Der Chef des Notenbankablegers in San Francisco, John Williams, sieht in der Entscheidung der Briten für einen EU-Ausstieg keine Hürde für eine geldpolitische Straffung, wie er in Interviews mit MarketWatch und Bloomberg News erklärte. Falls es weitere Fortschritte beim Abbau der Arbeitslosigkeit gebe und sich die Inflation weiter dem Zielwert von 2 % annähere, spreche nichts gegen eine Erhöhung des Zinses in diesem Jahr. Gravierende KonsequenzenDeutlich skeptischer äußerte sich der Chef des Notenbankbezirks New York, William Dudley. Das Brexit-Votum sei eine der “dunkelsten Wolken” am US-Konjunkturhorizont. Es sei allerdings noch zu früh, die Folgen abzuschätzen. “Falls es an den Finanzmärkten zu größeren Ansteckungseffekten kommen und die Stabilität der Europäischen Union infrage gestellt werden sollte, wären das gravierende Konsequenzen”, warnte der einflussreiche Notenbanker.Fed-Direktor Daniel Tarullo prognostizierte, dass der Brexit die Welt noch lange beschäftigen werde: “Niemand weiß wirklich, welche Ausmaße das annimmt. Und ich bezweifle, dass man irgendwann einmal sagen kann, der Brexit sei erledigt.”Der Vizechef der US-Notenbank Fed, Stanley Fischer, hatte jüngst gesagt, der Verlauf der Konjunktur in den USA sei für die Geldpolitik wichtiger als das Votum der Briten für einen EU-Austritt. Dennoch wird an den Märkten die Wahrscheinlichkeit derzeit eher gering eingeschätzt, dass die Fed den Leitzins von derzeit 0,25 bis 0,5 % dieses Jahr anheben wird. Die Währungshüter hatten sich zuletzt Mitte vorigen Monats zur Beratung über die Zinsen getroffen und damit noch vor dem britischen Referendum vom 23. Juni.Die Unsicherheit über die Folgen der Brexit-Abstimmung hatte am Dienstag die britische Notenbank auf den Plan gerufen. So warnte die Bank of England vor gravierenden Folgen für die Finanzstabilität des Landes durch das Ja der Bevölkerung zum EU-Austritt. Sie lockerte zudem mit sofortiger Wirkung die Kapitalregeln für Banken.Unterdessen hat Schwedens Notenbank in Reaktion auf das Brexit-Votum den Zeitplan für eine Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik verschoben. Es bestünden erhebliche Unsicherheiten über die wirtschaftlichen Entwicklungen im Ausland und dies habe nach dem Abstimmungsergebnis in Großbritannien zugenommen, teilte die Riksbank gestern mit. Das Vereinigte Königreich ist Schwedens viertgrößter Exportmarkt. Die Notenbank will nun erst im zweiten Halbjahr 2017 damit beginnen, langsam die Zinszügel zu straffen. Bislang war dies für Mitte 2017 geplant gewesen. Ihren Leitzins beließ die Riksbank auf dem Rekordtief von – 0,5 %.Die Aussicht für die wirtschaftliche Entwicklung im Ausland und speziell in Großbritannien sei wegen des Votums nach unten korrigiert worden, hieß es. Die Notenbank sei zu Eingriffen am Devisenmarkt bereit, falls die Krone so schnell aufwerten sollte, dass der Inflationsauftrieb bedroht wäre, so die Notenbanker. Falls nötig sei man zudem jederzeit bereit, die Geldpolitik zu lockern. Dies gelte auch zwischen den offiziell angesetzten Zinsentscheidungen.Schwedens Notenbank strebt wie etwa auch die Europäische Zentralbank (EZB) eine Inflation von rund 2 % an. Dies erachtet sie als den günstigsten Wert für die Wirtschaft. Dieses Ziel verfehlt die Riksbank aber bereits seit mehr als fünf Jahren. Keine RosinenpickereiDie EZB drückte derweil erneut aufs Tempo. EZB-Ratsmitglied François Villeroy de Galhau forderte gestern rasch Klarheit über die weiteren Schritte nach dem Brexit-Votum in Großbritannien. Je schneller das geschehe, desto besser, sagte Frankreichs Notenbankchef. Rosinenpickerei bei den Verhandlungen mit der EU könnten die Briten nicht erwarten. “Damit das Vereinigte Königreich den Zugang zum gemeinsamen Finanzmarkt behält, sollten alle üblichen EU-Regeln strikt beachtet werden”, sagte er. Ein Brexit werde zwar Auswirkungen auf die Wirtschaft in der Eurozone haben. Die Folgen würden aber moderater ausfallen als in Großbritannien. Spaniens Notenbankchef Luis Maria Linde sagte, das Brexit-Votum sollte zum Nachdenken über die Zukunft der Europäischen Union führen.