KOMMENTAR

Notwendige Atempause

Der vorläufige Waffenstillstand im Handelsstreit zwischen China und den USA kommt mit Blick auf die angeknackste Konjunkturverfassung gerade noch zum rechten Zeitpunkt. Die jüngsten Stimmungsbarometer an der Industriefront zeigen im Juni Schrumpfen...

Notwendige Atempause

Der vorläufige Waffenstillstand im Handelsstreit zwischen China und den USA kommt mit Blick auf die angeknackste Konjunkturverfassung gerade noch zum rechten Zeitpunkt. Die jüngsten Stimmungsbarometer an der Industriefront zeigen im Juni Schrumpfen an. Das unterstreicht die Fragilität der weltweit zweitgrößten Volkswirtschaft im Hinblick auf Unsicherheiten im Handelsstreit.Mit dem vorläufigen Verzicht auf ein Weiterdrehen der US-Strafzollschraube fällt zumindest der Druckpegel an Chinas Finanzmärkten. Damit erhalten Pekings Wirtschaftsplaner die Gelegenheit, mit weiterem fiskalischen und monetären Stimulierungsbedarf die Situation auszutarieren. Chinas Zentralbank hat zwar am Montag ihre Bereitschaft zur Unterstützung der Wirtschaft vor dem Hintergrund des außenwirtschaftlichen Drucks unterstrichen, allerdings ist dies vor allem auf eine Entlastung der Finanzierungskosten von kleinen und mittleren Unternehmen gemünzt.Eine Leitzinssenkung, wie sie eine neuerliche Eskalation des Konflikts wohl heraufbeschworen hätte, wäre der People’s Bank of China vor dem Hintergrund der unverminderten Blasenbildungsgefahr am Immobilienmarkt und der Dämpfung von Finanzstabilitätsrisiken eher ein Gräuel. Nun aber ist zumindest etwas Zeit gewonnen, um Stimulierungsgesten gezielter einzusetzen. Das ist aus chinesischer Sicht wohl auch das wichtigste Ergebnis des nun gefundenen Kompromisses im G20-Gipfelgespräch zwischen den Präsidenten Donald Trump und Xi Jinping. Nach der ersten Unterredung auf dem G20-Gipfel in Buenos Aires im Dezember hatten die USA mit einem rigiden Zeitplan für das Abschließen einer hochkomplexen Handelsvereinbarung und immer neuen Strafzolldrohungen eine Atmosphäre geschaffen, in der China letztlich nicht bereit war, den US-Forderungen nach einschneidenden Veränderungen im Wirtschaftssystem und der Industriepolitik sowie bei der Behandlung von Auslandsunternehmen in allen Punkten nachzukommen. Mit der im Mai verhängten Technologiesperre gegen den von den USA als Sicherheitsrisiko eingestuften Telekomausrüster Huawei ist die Sache noch verzwickter geworden. Nun gibt es zumindest die Aussicht, dass die Sperre zumindest in wahrlich nicht sicherheitsrelevanten Aspekten wie dem Smartphonegeschäft wieder gelockert wird. Das ist eminent wichtig, denn nur wenn es zu einer vorläufigen Entflechtung des handelspolitischen Streits mit dem Ringen um technologische Führerschaft kommt, gibt es überhaupt eine Chance, dass sich China auf einen Pakt einlässt, der als geringeres Übel im Vergleich zu einer Totalkonfrontation mit den USA wirkt.