Nun haben die Bürger das Wort

EZB bindet Öffentlichkeit mit zwei Formaten in Strategieüberprüfung ein - "Das Eurosystem hört zu"

Nun haben die Bürger das Wort

Seit der Amtsübernahme von Mario Draghi betont EZB-Präsidentin Christine Lagarde, die Öffentlichkeit in den Strategiecheck der Zentralbank einbinden zu wollen. Nun nennt die EZB Details: Neben Veranstaltungen nach dem Vorbild der Federal Reserve fragt sie online die Bürger nach deren Meinung.Von Stefan Reccius, FrankfurtAuf eine Botschaft legt EZB-Chefin Christine Lagarde seit Anbeginn im neuen Amt größten Wert: Die Euro-Währungshüter sollen sich einer breiteren Öffentlichkeit zuwenden und den Bürgern Gehör schenken. Bei Lagardes erster Pressekonferenz im Dezember klang dieser Vorsatz noch vage: Die Europäische Zentralbank (EZB) werde sich an Parlamentarier, Akademiker und Vertreter der Zivilgesellschaft wenden und “nicht bloß das Evangelium der Geldpolitik predigen”. Als der EZB-Rat am 23. Januar formal beschloss, erstmals seit 16 Jahren die geldpolitische Strategie zu überprüfen, bekräftigte Lagarde: “Wir werden zuhören.”Nun hat die EZB genauer bekannt gegeben, wie sie sich das vorstellt. Im Rahmen ihrer Strategieüberprüfung setzt sie auf zwei Formate, um Interessengruppen und Bürger zu beteiligen. Ein Element der Konsultationen ist eine Veranstaltungsreihe mit dem Titel “Das Eurosystem hört zu”. Sie beginnt am 26. März in Brüssel mit einem Event, an dem EZB-Präsidentin Christine Lagarde und Chefvolkswirt Philip Lane teilnehmen werden. Anschließend richten die nationalen Notenbanken eigene Veranstaltungen aus. Damit bestätigte die EZB im Wesentlichen einen entsprechenden Bericht der Börsen-Zeitung (vgl. BZ vom 12. Februar). Zusätzlich sind die Bürger in den Euro-Staaten aufgerufen, über ein Online-Formular auf der Webseite der EZB ihre Vorstellungen und Ansichten zur Geldpolitik zu äußern.Ablauf und Inhalte erfüllen die Erwartungen, die Lagarde geweckt hat. Der Titel weckt Assoziationen zur amerikanischen Notenbank, die unter dem Motto “Fed listens” öffentliche Diskussionen in verschiedenen Bundesstaaten veranstaltet. In der Tat stellte Lagarde nach der jüngsten EZB-Ratssitzung diesen Bezug her, um dann einzuschränken: “Bei uns wird es anders sein, denn nicht alle 19 Euro-Staaten sprechen dieselbe Sprache.” Aus diesem Grund wird in den Wochen nach der Auftaktveranstaltung in Brüssel jede der 19 nationalen Notenbanken ihrerseits ein solches Ereignis organisieren, überwiegend im Mai. Die Bundesbank arbeitet Zeitpunkt und Inhalt dieser Tage aus. “Die Planung läuft”, hieß es aus der Wilhelm-Epstein-Straße. Details dürfte Bundesbankpräsident Jens Weidmann wohl Freitag bei der Vorstellung des Jahresberichts nennen. Mehr als 50 EinladungenInhaltlich sollen sich die Regionalveranstaltungen am ersten Termin in Brüssel orientieren. Zur Auftaktveranstaltung hat die EZB nach eigener Aussage etwas mehr als 50 Organisationen eingeladen: Dachverbände von Arbeitgebern, Industrie und Gewerkschaften sind vertreten, aber auch Nebenorgane der EU, wie der Ausschuss der Regionen, oder Interessengruppen wie Transparency International. Die Veranstaltung in Brüssel wird laut Programm drei Schwerpunkten gewidmet sein: Wirkungen und Nebenwirkungen der Geldpolitik; weitere strategische Erwägungen zur Erfüllung des Mandats der Preisstabilität; und eine Analyse der EZB-Kommunikation. Die Teilnehmer sind aufgerufen, vorab Anmerkungen und Fragen zur Geldpolitik einzureichen. “In Studio-Atmosphäre” wolle man dann “mit einem breiten Spektrum von Leuten” ins Gespräch kommen, heißt es.Schon das jährliche Klassentreffen von Zentralbankern, Vertretern der Finanzbranche und Beobachtern zwei Tage zuvor, die ECB Watchers Conference in Frankfurt, wird im Zeichen der Strategieüberprüfung stehen. Das bestätigte die EZB. Die Teilnehmer werden in einem veränderten Format über das Mandat, die Instrumente und die Strategie der EZB diskutieren.In einer über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreiteten Videobotschaft wandte Lagarde sich direkt an die Bürger. “Der Euro gehört uns allen – er gehört Ihnen”, sagte die EZB-Chefin. Diese Worte hatte sie schon bei der Verabschiedung ihres Vorgängers Mario Draghi geäußert. “Deshalb sind wir auf Ihre Meinung angewiesen”, ergänzte Lagarde. Online-Befragung bis 24. AprilDafür hat die EZB einen Online-Fragebogen geschaltet. Bis 24. April können Interessierte in ihrer jeweiligen Landessprache Einschätzungen zu Themenbereichen wie ihrer Wahrnehmung von Preisstabilität, der Wirtschaftsentwicklung und zur Kommunikation der EZB abgeben. In der Umfrage geht es aber auch explizit um Aspekte, denen im Rahmen der Strategieüberprüfung besonderes Augenmerk zukommt. So will die EZB wissen, wie sich der Klimawandel nach Einschätzung der Teilnehmer auf sie persönlich und die Wirtschaft auswirken wird. Außerdem fragt die EZB, welches Gewicht die Teilnehmer dem Anstieg der Wohnkosten für die Inflation beimessen. Beides berücksichtigt die EZB bislang nicht beziehungsweise nur begrenzt in ihrer Geldpolitik. Die Ergebnisse sollen in einem Bericht zusammengefasst und veröffentlicht werden. Dafür peilt die EZB laut einem Sprecher Ende Juni an. Der Zeitplan steht allerdings unter Vorbehalt – “wir machen das ja auch zum ersten Mal”.