Nur ein Gast sitzt am Katzentisch

Von Andreas Heitker, Brüssel Börsen-Zeitung, 24.6.2017 Am Ende stimmte auch Mario Draghi in den Chor der Optimisten mit ein. "Es gibt neue Hoffnung in das europäische Projekt", beschrieb der Präsident der Europäischen Zentralbank auf dem EU-Gipfel...

Nur ein Gast sitzt am Katzentisch

Von Andreas Heitker, BrüsselAm Ende stimmte auch Mario Draghi in den Chor der Optimisten mit ein. “Es gibt neue Hoffnung in das europäische Projekt”, beschrieb der Präsident der Europäischen Zentralbank auf dem EU-Gipfel den Stimmungswandel in der Wirtschaft. Auch die EU-Staats- und -Regierungschefs spürten auf ihrem zweitägigen Treffen in Brüssel einen “Geist neuer Zuversicht”, wie sich Bundeskanzlerin Angela Merkel ausdrückte. Die Depression nach dem Brexit-Votum scheint überwunden. So viel Tatkraft auf einem Europäischen Rat gab es schon lange nicht mehr.Und so einigte man sich auf die Umsetzung der sogenannten Pesco, einer “ständigen strukturierten Zusammenarbeit” in der Verteidigungspolitik. Der Gipfel setzte zugleich klare politische Zeichen für den Freihandel und die Klimapolitik, verständigte sich auf eine weitere Verlängerung der Wirtschaftssanktionen gegen Russland um sechs Monate und am Rande auf ein genaues Verfahren zum Umzug der beiden in London ansässigen EU-Behörden. Lediglich in den Diskussionen um die Verteilung von Flüchtlingen konnte der EU-Gipfel keine Einigkeit erreichen. Hier sind die Differenzen einfach noch zu groß. In der Abschlusserklärung wurde der Ministerrat lediglich aufgerufen, seine Arbeiten an der Reform der Asylpolitik fortzusetzen.Viel zu dem Stimmungsumschwung in Brüssel beigetragen hat der neue französische Präsident Emmanuel Macron, der zum ersten Mal an einem Gipfel teilnahm und mit seinem klaren proeuropäischen Kurs gleich in vielen Diskussionen den Taktstock an sich riss. Zudem ist es ihm gelungen, den deutsch-französischen Motor wieder in Gang zu bringen. Demonstrativ treten Macron und Merkel zum Ende des Rates gemeinsam vor die Presse. “Wenn Deutschland und Frankreich sich nicht einig sind, kommt Europa nicht voran”, sagt der Franzose und erinnert an das Erbe von Helmut Kohl und François Mitterand. Wenn die EU, dieses “Friedens-, Wohlstands- und Freiheitsprojekt”, weiterentwickelt werden soll, sei eine deutsch-französische Einigkeit “eine notwendige, wenn auch keine hinreichende Bedingung”.Wie Macron will auch Merkel Vertragsänderungen zur Umsetzung von Reformen nicht ausschließen. Sie sagt, Deutschland und Frankreich würden jetzt beim Thema Digitalisierung Tempo machen. Macron erwähnt neben den Bereichen Sicherheit, Migration und Handel auch die Arbeiten an der Eurozone, die nun weitergehen müssten. Der G 20-Gipfel und das deutsch-französische Ministertreffen im Juli sollen die Reformagenda weiter konkretisieren.Nur eines wollen weder Macron, noch Merkel noch 25 weitere Regierungschefs: sich lange mit dem Thema Brexit aufhalten. Wichtiger sei die Gestaltung der Zukunft, heißt es in Brüssel immer wieder. Die britische Premierministerin Theresa May wird auf dem Gipfeltreffen ausnehmend kühl behandelt. Das von ihr vorgestellte “faire und ernsthafte Angebot” zu den Rechten der in Großbritannien lebenden EU-Bürger nach dem Brexit wird recht schroff kommentiert. Sein erster Eindruck sei, dass das Angebot des Vereinigten Königreichs “unter unseren Erwartungen liegt”, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk.May hatte vorgeschlagen, dass EU-Bürger, die mindestens fünf Jahre in Großbritannien leben, die gleichen Rechte wie britische Bürger erhalten sollen. Das Startdatum für diese Fünfjahresfrist ist aber noch Verhandlungssache.Einen kleinen Affront gegen May leistete sich – bewusst oder unbewusst sei dahingestellt – auch Merkel. In der Pressekonferenz nach dem Gipfel verweist sie auf die veränderten Rahmenbedingungen für eine deutsch-französische Führungsrolle in der Gemeinschaft. Die EU habe ja mal sechs Mitgliedstaaten gehabt, dann irgendwann 13, was heute ganz übersichtlich erscheine, sagt sie. “Heute sind wir 27.” Großbritannien kommt in ihrer Rechnung schon gar nicht mehr vor. ——–Der EU-Gipfel versprüht Zuversicht und Tatkraft – Macron und Merkel geben den Takt vor.——-