Nur manchmal muss es Handarbeit sein
Von Alexandra Baude, FrankfurtZuerst die blauen für den Himmel zusammengesucht, dann die grünen für die Wiese – und fertig ist über kurz oder lang das am Küchentisch zusammengesetzte Familienpuzzle. Wenn nun allerdings das kleinste Stück nur zwei Quadratmillimeter misst und 5 000 Teile zusammengesetzt werden müssen, ist der Spaß ganz schnell vorbei – noch dazu wenn man nicht einfach aufhören kann, wenn man keine Lust mehr hat, sondern im gesetzlichen Auftrag handelt wie die Bundesbank. Sie ist dazu verpflichtet, beschädigte Banknoten zu rekonstruieren und erst ab einer Größe von mindestens 50 % gibt es dann auch Ersatz.Damit nun nicht mehr alles in mühevoller Kleinstarbeit erledigt werden muss, hat die Bundesbank in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik IPK den sogenannten “E-Puzzler” entwickelt. Die Banknotenschnipsel werden nun nicht mehr per Hand sortiert, unter Lupe oder Mikroskop auf zusammengehörige Schnitt- oder Rissstellen untersucht und zusammengefügt, sondern zwischen zwei Glasplatten fixiert, von einem Scanner zugleich mit der Ober- und Unterseite digitalisiert und dann vom Rechner virtuell zusammengesetzt.Vor allem komplizierte Fälle soll das auf einer lernfähigen Software basierende System lösen und dadurch bis zu 50 % Zeitersparnis bringen. Denn “das Suchen ist die große Arbeit gewesen” und “die Zeitersparnis steigt exponentiell mit der Zahl der Fragmente”, erklärt Sven Bertelmann, Leiter des Nationalen Analysezentrums der Bundesbank bei der Vorstellung des E-Puzzlers. Während bei einem Test 5 000 Fragmente von 369 Banknoten an 22 Arbeitstagen manuell zusammengesetzt wurden, war der E-Puzzler mit sechs Tagen einscannen und acht Tagen Rechenleistung schneller. Im Ergebnis gab es mit jeweils 368 rekonstruierten Scheinen keinen Unterschied. Jährlich erhält das Mainzer Analysezentrum etwa 30 000 Anträge auf Ersatz beschädigter Banknoten und Münzen. Dabei geht es laut Johannes Beermann, der im Bundesbankvorstand für Bargeld zuständig ist, um etwa eine Million verbrannte, zerrissene, geschredderte, verfärbte oder vermoderte Banknoten, die allerdings nicht vorsätzlich beschädigt worden sein dürfen. Im vergangenen Jahr erstattete die Bundesbank einen Wert von etwa 42 Mill. Euro.Der klassische Fall, warum Banknotenfragmente im Mainzer Analysezentrum landen, ist das unbeaufsichtigte Kind, das im Spiel beherzt zur Schere gegriffen oder die Scheine zerrissen hat. Auch Tiere würden durchaus mal die Essbarkeit der bunten Scheine testen. Katalysator für die Zusammenarbeit mit dem IPK war der immer noch ungelöste Darmstädter Schnipsel-Fall, als 2015 ein Unbekannter Geldschnipsel im Wert von insgesamt etwa 90 000 Euro in der hessischen Stadt verteilt hatte.Basis des E-Puzzlers ist die Technik, die schon bei der Zusammensetzung der Stasi-Unterlagen und nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs zum Einsatz kam. Die 450 000 Euro, die das Projekt gekostet habe, sagt Beermann, seien gut angelegtes Geld, denn es diene den Kunden und den Mitarbeitern, und alle seien zufrieden. Nicht nur dass Zeit gespart wird, durch die Scannertechnik gebe es eine objektivierte Prüfung – eine ganz wichtige Eigenschaft, wie Bertram Nickolay, Leiter der Abteilung Maschinelles Sehen bei IPK, erklärt – und es entstünden auch gerichtsfeste Vorlagen. Einzigartig ist der E-Puzzler, der seit einem Jahr im Einsatz ist, auch noch: Bertelmann zumindest kennt keine weitere Notenbank, die auf diese Technik setzt. Das Familienpuzzle darf freilich auch weiterhin in liebevoller Kleinstarbeit per Hand zusammengesetzt werden.——Mit dem E-Puzzler kann die Bundesbank beschädigte Scheine schneller rekonstruieren.——