ANGST VOR DER ZINSWENDE

"Nur wenige Leute muten sich das lange Ende zu"

Anleihen der Euro-Peripheriestaaten werden kaum gehandelt - Italien muss höhere Renditen liefern

"Nur wenige Leute muten sich das lange Ende zu"

Von Grit Beecken, FrankfurtDie Anleiherenditen der Euro-Peripheriestaaten gelten seit Ausbruch der Krise als Gradmesser für den Zustand der gebeutelten Länder. Die schlagzeilenträchtigen Indikatoren werden aber nicht nur von der Risikoneigung der Anleger bestimmt. Auch das Handelsvolumen und regulatorische Vorschriften spielen eine mitunter entscheidende Rolle.Zum Beispiel am Mittwoch: Nach der Rating-Herabstufung stieg die Rendite zehnjähriger italienischer Staatsanleihen bis zum frühen Nachmittag um fünf Basispunkte auf 4,45 %. Händler berichteten, es sei allerdings im Vergleich zu den Vortagen nur sehr wenig gehandelt worden. Das heißt: Diese Rendite spiegelt nicht die Mehrheit einer großen Menge von Investoren wider. Sie ist vielmehr das Ergebnis weniger abgeschlossener Geschäfte auf dem sogenannten Sekundärmarkt für Staatsanleihen. Das gilt oft auch für Papiere anderer Peripheriestaaten.Durch die schwachen Umsätze sei zudem die Volatilität am Markt sehr hoch, heißt es in den Handelsräumen. Mitunter reiche schon eine einzelne Order, um die Preise zu bewegen. Das gelte besonders bei langlaufenden Papieren. “Nur wenige Leute muten sich derzeit das lange Ende zu”, berichtete ein Händler.Gleichzeitig haben viele Banken die Handelslimite beschränkt. Wenn Kunden Anleihen verkaufen wollen, können die Händler sie nicht mehr so bereitwillig in die eigenen Bücher nehmen wie noch vor der Krise. Daher stellen sie weite Spreads. Das treibt die von Datenlieferanten wie Bloomberg und Reuters ausgewiesenen Renditen mitunter zusätzlich nach oben. Aussagekräftige PreiseZudem reagieren die Investoren längst nicht immer mit Verkäufen auf eine Ratingherabstufung. Eine im vergangenen Dezember veröffentlichte Bloomberg-Studie zeigt, dass die Renditen von Staatsanleihen in 53 % der untersuchten 32 Ratingveränderungen genau andersherum reagierten als erwartet. Sprich: Nach einer Herabstufung fielen die Renditen, nach einer Heraufstufung stiegen sie.Angesichts dieser Phänomene scheinen die Preise am Primärmarkt aussagekräftiger zu sein. Dort musste Italien am Mittwoch prompt für die schlechten Nachrichten bezahlen: Bei der Emission von Geldmarktpapieren verlangten die Investoren höhere Zinssätze. Für Drei-Monats-Papiere wurden 0,6 % fällig, das sind 0,2 Prozentpunkte mehr als bei der Auktion Mitte Mai.Die Rendite des einjährigen Schuldtitels kletterte im Vergleich zum Juni um 0,38 Punkte auf knapp 1,1 %. Es war aber kein Problem, Geld am Kapitalmarkt aufzunehmen. Italien platzierte die geplanten 9,5 Mrd. Euro vollständig.Dass die Peripheriestaaten in den vergangenen Monaten die geplanten Mittel in der Regel komplett aufnehmen konnten, hat mehrere Gründe. So lohnt es sich für Banken, die Gelder aus den Langfristtendern der Europäischen Zentralbank in Geldmarktpapieren der Peripheriestaaten anzulegen. Zudem schlagen internationale Investoren bei solchen Auktionen gerne zu, wenn sie gut verzinste Geldparkplätze suchen. Ausländer halten sich zurückPapiere mit längeren Laufzeiten werden hingegen in der Regel von einheimischen Investoren gekauft. Das liegt auch an der regulatorischen Bevorzugung von Staatsanleihen gegenüber anderen Anlageklassen. Die Nachfrage aus dem Ausland ist dabei eher schwach. Kaum eine deutsche Bank kauft derzeit spanische oder italienische Staatsanleihen. Auch die Versicherer haben allenfalls kleinere Budgets für Papiere der Peripheriestaaten. Welche Zinsen Investoren für langlaufende Papiere fordern, wird Italien heute herausfinden: Das Land emittiert eine dreißigjährige Anleihe mit Fälligkeit im September 2044. Analysten erwarten noch keine größeren Schwierigkeiten bei der Aufnahme der geplanten 1 bis 1,5 Mrd. Euro.—– Berichte Seite 17