LEITARTIKEL

Nur zaghafte Aufhellung

Nach dreijähriger Rezession wird Italiens Wirtschaft im laufenden Jahr wieder wachsen. Die bereits 2013 erwartete, dann auf 2014 verschobene Trendwende ist nun 2015 eingetreten. Doch die Belebung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) fällt mit erwartet...

Nur zaghafte Aufhellung

Nach dreijähriger Rezession wird Italiens Wirtschaft im laufenden Jahr wieder wachsen. Die bereits 2013 erwartete, dann auf 2014 verschobene Trendwende ist nun 2015 eingetreten. Doch die Belebung des Bruttoinlandsproduktes (BIP) fällt mit erwartet 0,8 bis 0,9 % relativ dürftig aus. Schätzungen der italienischen Zentralbank zufolge wird der schwache Aufschwung weitgehend von Maßnahmen der Europäischen Zentralbank (EZB) getragen. Trotz der gesunkenen Erdölpreise, trotz eines für die Exportwirtschaft günstigen Euro-Dollar-Verhältnisses, trotz des an den Tag gelegten Reformeifers der Regierung in Rom und trotz niedriger Zinsen bleibt Italiens Wachstum schwach. Es hinkt dem Schnitt der anderen EU-Länder hinterher. “Wir verharren auf Dezimalstellen”, klagt Ex-Regierungschef Mario Monti, der mit seinem rigorosen Austerity-Programm im Jahr 2012 überhaupt erst die Basis für eine Erholung gelegt hatte. Doch sein akademischer Kollege, Professor Francesco Fortis von der Mailänder Cattolica-Universität, zeigt sich zuversichtlicher. “Italien beginnt das Jahr 2016 erstmals wieder mit einem Wachstum”, zeigt er sich zufrieden. Auch 2016 wird das BIP mit erwartet 1,2 % keineswegs rasant zunehmen. Immerhin soll das Wachstum, trösten die Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts Prometeia, stärker ausfallen als in Deutschland.Doch Italien hat nicht nur die schwerste Konjunktur-und Strukturkrise der Nachkriegszeit hinter sich. Das Land leidet weiterhin unter einer tiefen sozialen Krise mit Nachwirkungen der Rezession. Das Sozialforschungsinstitut Censis stellte in seinem jüngste Bericht fest: “Italien befindet sich in Lethargie, nicht nur in einer künstlerischen, sondern auch in einer wirtschaftlichen.” Die Herausforderung 2016 heißt, diese Lethargie zu überwinden. Kurzum, 2015 wurde die Flaute beendet, im kommenden Jahr muss die Wirtschaft verlorengegangenes Terrain wieder gutmachen. Die Aufgabe ist enorm. Verglichen mit der Zeit vor dem Beginn der globalen Finanzkrise ist Italiens Industrieproduktion um ein Viertel gesunken. Das Pro-Kopf-Einkommen ist auf dem niedrigsten Niveau seit 1997, die Arbeitslosigkeit hat sich verdoppelt.Zum Wirtschaftsmotor entwickelt sich derzeit der private Verbrauch. Dieser zeigt seit Monaten eine positive Tendenz. Für Weihnachtsgeschenke wollen die Italiener laut Umfragen in diesem Jahr sogar um 5 % mehr ausgeben als im Vorjahr. Und auch die in den ersten elf Monaten 2015 um 15,5 % gestiegenen Pkw-Neuzulassungen beweisen, dass die Italiener wieder in langfristige Verbrauchsgüter investieren. “Basta mit der Austerität”, ist nach jahrelangem Darben der Slogan. Grund für die neuerliche Ausgabefreudigkeit ist zweifellos auch die Regierungspolitik. Im Stabilitätsgesetz wurde nicht nur die unpopuläre Immobiliensteuer IMU für den Hauptwohnsitz abgeschafft. Ein monatlicher Bonus von 80 Euro für niedrige Einkommensschichten sowie das neue Arbeitsmarktgesetz verleihen dem privaten Verbrauch ebenfalls Impulse. Im November ist Italiens Arbeitslosenquote erstmals nach Jahren wieder unter die 12-Prozent-Grenze gesunken. Das Verbraucherklima war im vergangenen Monat auf ein Mehrjahreshoch geklettert und auch das Geschäftsklima hat sich verbessert. Zwar treten die Investitionen noch auf der Stelle. Aber Unicredit-Chef Federico Ghizzoni erkennt eine deutlich belebte Kreditnachfrage für Neuinvestitionen. “Vor einem Jahr hat sich die überwiegende Mehrheit der neuen Unternehmenskredite noch auf Umschuldungen konzentriert, nun wird wieder investiert.” Der Industriellenverband Confindustria plädiert für zusätzliche Steuererleichterungen und Investitionshilfen.Den Forderungen wird die Regierung vorerst nicht nachkommen, da Rom weitere Investitionsreize auf 2017 verschoben hat. Grund dafür sind 2 Mrd. Euro Mehrausgaben für Sicherheit. Die Sicherheitsinvestitionen haben auch dazu geführt, dass Italien die Neuverschuldung im kommenden Jahr von 2,2 auf 2,4 % des Bruttoinlandsprodukts erhöhen wird. Von einem ursprünglich für 2017 vorgesehenen Haushaltsausgleich ist keine Spur zu sehen.Schwaches Glied der italienischen Wirtschaft ist erstmals auch die Exportindustrie. Die Russland-Sanktionen lasten schwerer auf Italien als auf Russland. Auch die Wachstumsschwäche in Südamerika und Asien macht den Exporteuren zu schaffen. Last but not least stöhnt die Kfz-Teile-Industrie unter dem Dieselgate-Skandal. Denn Deutschland ist der wichtigste Absatzmarkt für Italiens Kfz- und Maschinenteile.——–Von Thesy Kness-BastaroliItalien ist der jahrelangen Rezession entkommen. Nun gilt es erst einmal, verlorengegangenes Terrain wieder gutzumachen. Der Weg dahin ist weit.——-