Obama, Papst und Li in einem Boot

Drei Monate vor dem schottischen Unabhängigkeitsreferendum zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab

Obama, Papst und Li in einem Boot

Barack Obama, der Papst, Li Keqiang und Harry Potters Mutter haben ihrer Besorgnis über eine mögliche Abspaltung Schottlands von Großbritannien Ausdruck verlieren. Drei Monate vor dem Referendum über die Unabhängigkeit deutet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Gegnern und Befürwortern an. An den Kapitalmärkten werden die damit verbundenen Risiken weitgehend ausgeblendet.Von Andreas Hippin, LondonIn drei Monaten wird in Schottland über die Unabhängigkeit abgestimmt. Befürworter und Gegner haben die Lautstärke deutlich erhöht. “Die Intensität der Kampagne hat spürbar zugenommen und ich erwarte, dass das so weitergehen wird”, sagte Alistair Carmichael, der für Schottland zuständige Staatssekretär, vor Auslandskorrespondenten im Londoner Dover House. Neben US-Präsident Barack Obama und Joanne “Jo” Rowling, der Schöpferin von Harry Potter, sprach sich auch der chinesische Premier Li Keqiang gegen ein unabhängiges Schottland aus. Anders als in ChinaCarmichael nannte es “interessant und hilfreich, die Meinungen von Menschen aus anderen Teilen der Welt zu hören”. Die “Yes Campaign” verwies dagegen darauf, dass “die Menschen in Schottland, anders als die Menschen in China, am 18. September frei und demokratisch über die Zukunft ihres Landes abstimmen können”. Meinungsumfragen zeigen, dass die Befürworter der Loslösung von Restbritannien, denen zuvor keine Chance eingeräumt wurde, seit Jahresbeginn deutlich aufgeholt haben. Den neuesten YouGov-Zahlen zufolge wollen 36 % (-1 %) mit Ja stimmen, 11 % sind noch unentschlossen, das Nein-Lager kommt auf 53 % (+ 2 %). Die jüngsten Veränderungen sind wenig aussagekräftig. Umfragen von Survation, Panelbase und ICM hatten zuvor Zuwächse für die Nationalisten ergeben. Für ihn zähle nur, was am 18. September herauskomme, sagte der Liberaldemokrat Carmichael.In einem von der Londoner Regierung an 2,5 Millionen schottische Haushalte verteilten Pamphlet wird erklärt, dass ihnen der Fortbestand der Union langfristig jährlich 1 400 Pfund bringe. Alle anderen Bewohner der britischen Inseln wurden dagegen über die Risiken einer Trennung wie etwa den möglichen Verlust des “AAA”-Ratings des Landes im Unklaren gelassen. Die Ratingagentur Fitch, die die Bonität des Vereinigten Königreich ohnehin nur noch mit “AA +” bewertet, hatte bereits im April vor den Auswirkungen einer Sezession auf Restbritannien gewarnt. Sollten Banken wie erwartet ihren Hauptsitz nach London verlegen, würde die Finanzbranche noch größer (siehe Grafik).Die Analysten der Investmentbank Nomura stellen die zuversichtliche Haltung der Finanzmärkte angesichts der “beträchtlichen potenziellen Konsequenzen” eines Ja-Votums in Frage. Sie raten ihren Kunden, das Thema beim Blick auf ihr Aktienportfolio und bei künftigen Anlageentscheidungen zu berücksichtigen, auch wenn sie nicht davon ausgehen, dass sich Schottland für die Trennung entscheidet.”No thanks”, lautet der neue Slogan der “Better Together”-Kampagne des damaligen Schatzkanzlers Alistair Darling. Warum es eines neuen Slogans bedurfte, wird nicht ganz klar. Carmichael zufolge schwächt sich die Wahrnehmung der Regierungsposition als Negativkampagne gerade ab. “Wir schrecken aber nicht davor zurück, die schwierigen Fragen zu stellen.” Premier David Cameron wird vor dem Referendum öfter in Schottland zu sehen sein als bisher, etwa bei der Eröffnung der Commonwealth Games. Abstimmen darf er allerdings nicht. “David Cameron ist vieles, aber er ist kein Schotte”, sagte Carmichael.