OECD senkt Daumen über Deutschland
OECD senkt Daumen über Deutschland
Schwächere Prognosen – Industrieländerorganisation sorgt sich um China und die Inflation
Wegen der restriktiven Geldpolitik traut die Industrieländerorganisation OECD der Weltwirtschaft 2023 und 2024 nur ein unterdurchschnittliches Wachstum zu. Als Schlusslichter werden Deutschland und Argentinien gesehen, deren Wirtschaft im Gegensatz zu allen anderen Volkswirtschaften schrumpfen dürfte.
ba Frankfurt
Die Industrieländerorganisation OECD zeigt sich in ihrem neuesten Konjunkturausblick verhalten optimistisch, auch wenn die globale Konjunktur nur in einem unterdurchschnittlichen Tempo zulegen und die Inflation hoch bleiben dürfte. Ursächlich seien die starken Zinserhöhungen im Kampf gegen die hartnäckig hohe Teuerung. Diese zählt die OECD denn auch zu den Hauptrisiken für die Weltwirtschaft. Insbesondere bei der Kernteuerung erwarten die OECD-Experten nur langsame Fortschritte.
Während die globale Wirtschaftsleistung um 3,0% und 2,7% in diesem und im kommenden Jahr zulegen dürfte, sieht es für einige Länder weniger rosig aus: Deutschland und das schuldengeplagte Argentinien sind die einzigen Volkswirtschaften, die 2023 laut der OECD-Prognose schrumpfen werden. Hierzulande ist statt der im Juli prognostizierten Stagnation ein Minus von 0,2% zu erwarten, 2024 wird ein Wachstum von 0,9% avisiert. Bundesfinanzminister Christian Lindner mahnte, dass diese Prognose ein Ansporn für Deutschland sein müsste. „Deutschland darf sich nicht ausruhen, wenn es seine internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten will“, zitierte Reuters den FDP-Vorsitzenden. Die Bundesregierung reagiere bereits, wie es die OECD empfehle. „Fiskalische Puffer werden wieder aufgebaut, während wir Zukunftsinvestitionen auf Rekordniveau planen. Damit flankieren wir auch den geldpolitischen Kurs der Notenbanken“, sagte Lindner dem Agenturbericht zufolge. Mit dem Zukunftsfinanzierungsgesetz und dem Wachstumschancengesetz würden weitere wichtige Weichen gestellt.
In der Diskussion, ob Deutschland nun der „kranke Mann Europas“ sei, stellt sich OECD-Chefökonomin Clare Lombardelli auf die Seite von Bundesbankpräsident Joachim Nagel, der diese Bezeichnung für eine „Fehldiagnose“ hält. Es gebe zwar Herausforderungen, erklärte Lombardelli laut Reuters, aber auch viele Stärken. Strukturreformen seien in vielen Industriestaaten nötig. In Deutschland müsse insbesondere die Einwanderung erleichtert werden, so OECD-Expertin Isabell Koske. Auch die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen, älteren Menschen und geringqualifizierten Personen müsse verbessert werden, um den Fachkräftemangel zu bewältigen. Einen Rückstand macht die OECD auch bei Investitionen oder der Digitalisierung aus.
Zu den Abwärtsrisiken zählt die OECD die Inflation und empfiehlt den Notenbanken daher, die geldpolitischen Zügel straff zu halten, bis der zugrundeliegende Preisdruck ersichtlich dauerhaft nachgelassen habe. „Wir sind noch nicht aus dem Gröbsten raus“, mahnte Ökonomin Lombardelli. Für die Regierungen bedeute dies, ihre hohen Schulden und stark gestiegenen Ausgaben anzugehen. Ein weiteres Risiko sei eine unerwartet langsamere Gangart in China, für das ein Wachstum von 5,1% und 4,6% prognostiziert wird.
Aus Sicht der OECD ist es aber auch möglich, dass das globale Wachstum wie schon im ersten Halbjahr 2023 positiv überrascht und die Inflation in den großen Volkswirtschaften ohne nennenswerte Störungen auf den Arbeitsmärkten auf das angestrebte Niveau sinkt. Darauf deute die Entwicklung in den USA hin. Der weltweit größten Volkswirtschaft wird ein Wachstum von 2,2% bzw. 1,3% zugetraut.