Pandemie

Öffnung mit eingebauter Notbremse

Bund und Länder werden heute über eine Verlängerung des Corona-Zwangsstillstands beraten, gleichzeitig aber die Voraussetzungen für Öffnungsschritte festlegen. So steht es in einer Beschlussvorlage. Details sind umstritten, Öffnungsschritte dürften jedenfalls mit einer eingebauten Notbremse erfolgen.

Öffnung mit eingebauter Notbremse

sp Berlin

Die nächsten Öffnungsschritte aus dem Corona-Zwangsstillstand kommen wohl noch im März, erfolgen aber mit einer eingebauten Notbremse. Das geht aus einem Entwurf der Beschlussvorlage zu den heutigen Beratungen der Spitzen von Bund und Länder über den weiteren Umgang mit der Corona-Pandemie hervor. Die derzeit geltenden Beschränkungen sollen demnach zwar noch einmal um drei Wochen bis 28. März verlängert werden. Bereits ab der nächsten Woche sollen die Kontaktbeschränkungen aber gelockert werden, und nach der Öffnung der Friseure Anfang dieser Woche könnte es in einem zweiten Öffnungsschritt schon mit Beginn der nächsten Woche Erleichterungen für Buchhandlungen, Blumengeschäfte und Gartenmärkte sowie für bisher noch geschlossene körpernahe Dienstleistungen geben.

Weitere Lockerungsschritte, etwa für den Einzelhandel, Museen und Sport im Außenbereich, sind im Entwurf an eine stabile oder sinkende Sieben-Tage-Inzidenz unter 35 ge­bunden und können laut Beschlussvorlage wieder zurückgenommen werden, wenn die Inzidenzen danach steigen. Dann treten unter bestimmten Bedingungen wieder die Regeln in Kraft, die bis zum 7. März gegolten haben. Mit dieser einge­bauten „Notbremse“ in der Be­schlussvorlage will vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sicherstellen, dass eine Beschleunigung des Infektionsgeschehens durch hochansteckende neue Coronavirusvarianten nach weiteren Lockerungsschritten rasch abgebremst werden kann. Die Kanzlerin beziffert den Anteil dieser Mutationen an den Neuinfektionen in Deutschland mittlerweile auf rund 50%, wie Reuters am Dienstag aus Verhandlungskreisen erfuhr. Etliche Länder wollen Lockerungen allerdings unabhängig von einem Inzidenzwert von 35 unternehmen, der wegen zuletzt steigender Infektionszahlen derzeit als unerreichbar gilt. „Es geht um einen Paradigmenwechsel in der Coronapolitik“, sagte einer der Teilnehmer laut Reuters.

Gastronomie bangt um Ostern

In dem Entwurf für die Chefrunde am Mittwoch wird ein Ausweg angedeutet: Man wolle „erproben“, ob Lockerungen durch die deutliche Ausweitung von Tests und bessere Kontrolle von Infektionsketten auch bei höheren Inzidenzen als 35 möglich würden, heißt es. Dies könnte weitere Öffnungsschritte schon vor dem 24. März mit sich bringen, dem angepeilten Datum der nächsten Bund-Länder-Runde, berichtet Reuters aus Verhandlungskreisen. Merkel habe in einer Fraktionssitzung aber darauf verwiesen, dass die angedachte Teststrategie sehr hohe Zahlen an Schnelltests erfordere. Gesundheitsminister Jens Spahn plant das Angebot von zwei kostenlosen Schnelltests wöchentlich für die gesamte Bevölkerung bis Ende Juni.

Die eingebaute Notbremse gilt sinngemäß auch für die Lockerungen nach einem vierten Öffnungsschritt, der unter anderem die Gastronomie, Kinos und Fitnessstudios umfassen würde. Sie können laut Beschlussvorlage allerdings erst öffnen, wenn sich der dritte Schritt bewährt hat, die Inzidenzen also 14 Tage nach der Öffnung stabil unter 35 geblieben sind. Mit einem vierten Schritt vor Ostern ist unter den genannten Voraussetzungen deshalb kaum zu rechnen, so dass für die Gastronomie wohl auch das Osterwochenende verloren ist. Der Einzelhandel könnte dagegen bereits im März vor allem in Verbindung mit der geplanten massiven Ausweitung von Schnelltests erste Öffnungsschritte machen, hieß es am Dienstag aus Verhandlungskreisen.

Streit gab es am Dienstag vor allem um die Pläne, Unternehmen zu verpflichten, Mitarbeitern in ihren Betrieben ein oder zwei kostenlose Schnelltests pro Woche anzubieten. „Eine Testpflicht für Unternehmen lehnt der Wirtschaftsrat ab“, sagte die Präsidentin des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, gegenüber Reuters. Die Bundeskanzlerin wollte sich dazu demnach noch am Dienstagabend mit Wirtschaftsvertretern beraten. Die Homeoffice-Verordnung, nach der die Arbeitgeber ihren Beschäftigten das Arbeiten von zu Hause ermöglichen müssen, wo die Tätigkeiten dies zulassen, soll bis 30. April verlängert werden.

In ihrer eigenen Fraktion begründete die Kanzlerin ihr Plädoyer für vorsichtige Öffnungen auch mit der nötigen Akzeptanz in der Bevölkerung. Etliche Ministerpräsidenten hatten vor den heutigen Beratungen ebenfalls auf die Stimmung im Land verwiesen. Das ZDF-Politbarometer zeigt eine Mehrheit von 56%, die sich für Öffnungen ausspricht. Dieser Wert sinkt auf 21%, wenn nach Öffnungsschritten bei steigenden Infektionszahlen gefragt wird.

Das Robert-Koch-Institut meldete am Dienstag 3943 neue Coronafälle – 60 mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz, die Zahl der Neuinfektionen pro 100000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen, ging nach dem Anstieg in den zurückliegenden Tagen leicht zurück auf 65,4. Bei den bislang letzten gemeinsamen Beratungen hatten die Spitzen von Bund und Ländern eine Inzidenz von 35 als Voraussetzung für Lockerungen festgelegt.