NOTIERT IN BERLIN

Ohne obligatorisches Ticket auf dem Pop-up-Fahrradweg

Wenn es jemanden gibt, der im urbanen Straßenverkehr fast uneingeschränkt von der Corona-Pandemie profitiert hat, dann sind das die Fahrradfahrer. Das gilt auch in Berlin, wo in der Zeit des Lockdown immerhin 15 Kilometer sogenannter...

Ohne obligatorisches Ticket auf dem Pop-up-Fahrradweg

Wenn es jemanden gibt, der im urbanen Straßenverkehr fast uneingeschränkt von der Corona-Pandemie profitiert hat, dann sind das die Fahrradfahrer. Das gilt auch in Berlin, wo in der Zeit des Lockdown immerhin 15 Kilometer sogenannter “Pop-up”-Radwege entstanden sind. Bald sollen es 22 Kilometer sein. Ein bisschen gelbe Klebefolie und ein paar rot-weiße Warnbaken, und fertig ist die neue Fahrradspur. Was jahrelang nur angekündigt wurde, passiert derzeit von einem Tag auf den anderen. Der Platz auf den Straßen wird neu verteilt, und anders als in den vergangenen Jahrzehnten muss das Auto häufig zurückstecken. Da mit den Lockerungen der Beschränkungen im Alltag auch in Berlin der Straßenverkehr wieder erkennbar Fahrt aufgenommen hat, dürften entlang der neuen Fahrradwege aber schon bald die ersten Konflikte zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern aufpoppen. *Erster Verlierer der Coronakrise in der Rubrik urbane Mobilität ist aber nicht das Automobil, mit dem ein Mindestabstand von 1,5 Metern zum nächsten Verkehrsteilnehmer bequem eingehalten werden kann, sondern der öffentliche Nahverkehr. Um die Verkehrswende in der Stadt dennoch voranzubringen, hat die Verkehrsverwaltung der Hauptstadt eine Studie in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse dem Berliner Senat am Mittwoch vorgestellt wurden und seither hohe Wellen schlagen. Denn die dänische Ingenieur- und Managementberatung Ramboll, die die Studie erarbeitet hat, schlägt unter anderem ein obligatorisches Jahresticket für alle Berliner vor, das nach den derzeit geltenden Tarifen bis zu 760 Euro kosten würde. Gegenüber dem heutigen System würde das die Einnahmen des öffentlichen Nahverkehrs in Berlin von zuletzt knapp 1 Mrd. Euro mehr als verdoppeln. Politisch dürfte diese Variante allerdings kaum durchsetzbar sein, wie die ersten Reaktionen auf die Vorschläge zeigen. * Bessere Chancen hat die Taxe für den öffentlichen Personennahverkehr, die von Touristen zu bezahlen wäre, die dafür unbegrenzt mit BVG und S-Bahn fahren könnten. Ramboll, die auch das Konzept der Pop-up-Fahrradwege entwickelt hat, rechnet mit Mehreinnahmen von bis zu 135 Mill. Euro. Außerdem empfohlen wird eine City-Maut, die bis zu 880 Mill. Euro in die Stadtkasse spülen würde. Durch flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in der City ließen sich jährlich noch einmal bis zu 500 Mill. Euro mehr erwirtschaften. Und noch ein Grund, aufs Fahrrad umzusteigen: Die Zahl der Fahrraddiebstähle in Deutschland ist der Bundesregierung zufolge in den vergangenen fünf Jahren um fast ein Fünftel zurückgegangen, wie aus einer am Freitag veröffentlichten Antwort auf eine parlamentarische Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Christian Jung hervorgeht. Demnach wurden im vergangenen Jahr 271 500 Räder gestohlen, 2015 waren es noch 328 854. Auch in Berlin verzeichnete die Regierung weniger Fahrraddiebstähle.