Mindestlohn

Ordnungspolitischer Sündenfall

Der Ökonom Lars Feld befürchtet, der Mindestlohnkommission werde bald nur noch die Rolle eines „Pausenclowns“ zufallen. Gewerkschafter Stefan Körzell hält dagegen und verteidigt den Plan der Ampel.

Ordnungspolitischer Sündenfall

wf Berlin

Als problematische Durchbrechung der Tarifautonomie wertet der Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld den Vorstoß der neuen Bundesregierung, den Mindestlohn per Gesetz auf 12 Euro heraufzusetzen. „Bedeutet es, dass die Mindestlohnkommission dann nur noch Pausenclown ist – zwischendurch für die paar Jahre ohne Wahlen?“, fragte Feld mit Blick auf die nächste Bundestagswahl und die Rolle der Kommission in einer Gesprächsrunde der Arbeitgebervereinigung BDA. Feld sieht darin ein ordnungspolitisches Problem. Diese sei der gravierendste Nachteil der geplanten Regelung. Feld ist Direktor des Walter Eucken Instituts und wissenschaftliches Mitglied der Mindestlohnkommission.

Die SPD hatte im Wahlkampf 2021 versprochen, im Falle eines Wahlsiegs den Mindestlohn von aktuell 9,82 auf 12 Euro heraufzusetzen. Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hat jüngst einen Referentenentwurf dazu vorgelegt. Am 1. Juli steigt die Lohnuntergrenze auf Beschluss der – mit den Tarifpartnern besetzten – Mindestlohnkommission auf 10,45 Euro, am 1. Oktober dann per Gesetz auf 12 Euro, wenn der Entwurf gebilligt wird. Feld befürchtet eine Lohnspirale mit entsprechenden wirtschaftlichen Auswirkungen: Löhne seien Kosten. Tarifverhandlungen würden unter bestimmten Bedingungen geführt – dazu gehörten Gewinne, Produktivität oder Marktposition der Firmen.

Stefan Körzell, Mitglied des geschäftsführenden DGB-Bundesvorstands und Mitglied der Mindestlohnkommission für die Arbeitnehmerseite, steht hinter dem gesetzlichen Schritt der Bundesregierung. Ihre Rolle als autonomer Tarifpartner sehen die Gewerkschaften durch die Regierung nicht beschädigt, machte er deutlich. Der DGB fordere schon lang einen Mindestlohn von 12 Euro. Nur fehle es den Gewerkschaften auf der Arbeitgeberseite an Tarifpartnern, um dies zu verhandeln. Die Kommission sei bei der Einführung des Mindestlohns 2015 mit 8,50 Euro viel zu niedrig eingestiegen. Dann sei die Lücke immer größer geworden, und der Kommission sei es nicht gelungen, an die 12 Euro heranzukommen. In Großbritannien habe die Politik bereits zweimal interveniert und danach jeweils der dortigen Mindestlohnkommission wieder die Entscheidung überlassen.

Andrea Belegante, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Systemgastronomie und stellvertretendes Mitglied des Tarifausschusses beim Bundesarbeitsministerium, wies den Vorwurf mangelnder Verhandlungspartner zurück. Ihr Verband nehme nur Arbeitgeber auf, die auch zur Tarifbindung bereit seien. Auch der Pflegeverband und das Sicherheitsgewerbe sind so aufgestellt. Belegante warnte vor einer Lohn-Preis-Spirale und einer „Stauchung“ im Tarifvertrag, wenn der Lohn der unteren Gruppen gesetzlich angehoben werde. Sie sei nicht gegen einen Mindestlohn von 12 Euro, aber „wir wollen das aushandeln“. Belagante favorisiert ein Stufenmodell. Schwierig werde es auch, ihren Mitgliedern zu erklären, warum sie mehr als 12 Euro zahlen sollen. Da wirke der staatliche Mindestlohn kontraproduktiv.