Paradise Papers befeuern EU-Debatte

Altmaier will Folgen der Enthüllungen für europäische Regulierung prüfen - Brüssel spricht von "Weckruf"

Paradise Papers befeuern EU-Debatte

Die Auswertung von mehreren Millionen vertraulicher Dokumente über Steuertricksereien reicher Personen und Firmen durch ein journalistisches Recherchenetzwerk, die Paradise Papers, haben die Diskussion in der EU neu entfacht, wie aggressiver Steuervermeidung Einhalt geboten werden kann.fed/ahe Frankfurt/Brüssel – Die EU-Kommission sieht sich durch die Enthüllungen aufgrund des erneuten Datenlecks in ihrer Meinung bestätigt, dass nationale Regierungen und EU-Parlament noch immer zu zaghaft Gesetze gegen aggressive Steuervermeidung vorantreiben. “Eine Reihe von Dingen wurde bereits getan, aber es muss noch mehr geschehen”, fasste EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis die Position der EU-Behörde zusammen. “Das muss ein Weckruf für unsere Mitgliedstaaten sein, einen Gang höher zu schalten”, ergänzte ein Sprecher der EU-Kommission. Er wies darauf hin, dass nach wie vor eine Reihe von EU-Vorschlägen mitten im Gesetzgebungsverfahren stecken. Das gilt beispielsweise für die Verpflichtung internationaler Konzerne, Umsatz, Gewinn und Steuern sowie einige andere Kennziffern öffentlich für jedes Land einzeln auszuweisen. Auf diese Weise wäre für jedermann offensichtlich, dass ein Konzern zwar in einem EU-Land hohe Umsätze macht, aber dort so gut wie keine Steuern zahlt – ein Hinweis darauf, dass er möglicherweise Gewinne in EU-Länder verschiebt, die ihm erlauben, einen großen Teil des Profits unversteuert einzuverleiben. Länderbezogene TransparenzDieses umstrittene “Public Country-by-Country-Reporting” wurde von der EU-Kommission bereits im April 2016 vorgeschlagen, danach stockte es allerdings im Ministerrat und im EU-Parlament. Mittlerweile haben sich die Gesetzgeber immerhin so weit verständigt, dass in Kürze die Schlussdiskussionen (Trilog) starten sollen. Die EU-Kommission hofft, dass die Paradise Papers diesen Prozess beschleunigen.Die EU-Behörde ist zudem zuversichtlich, dass die nationalen Regierungen nun auch etwas zügiger vorankommen mit dem Abschluss der schwarzen Liste der Steuerparadiese. Die EU-Behörde dringt darauf, dass diese Liste “nichtkooperativer Jurisdiktionen” – also von Drittstaaten, in die es für Konzerne wesentlich schwieriger wird, Gewinne zu transferieren – spätestens im Dezember einstimmig abgesegnet ist. Bereits gestern begannen die Euro-Finanzminister beim Treffen der Eurogruppe nach Angaben von Diplomaten darüber eine Aussprache. Es wird erwartet, dass diese Diskussion am heutigen Dienstag im Kreis der EU 28 fortgesetzt wird.Einige Finanzminister unterstützten gestern die EU-Kommission in der Forderung, im Kampf gegen Steuervermeidung schneller voranzukommen. So riet Österreichs Finanzminister Hansjörg Schelling, nicht auf andere zu zeigen. Schließlich habe Europa selbst “genug zu tun, wenn ich an manchen Mitgliedstaat denke und an deren Steuerschlupflöcher”. Interim-Bundesfinanzminister Peter Altmaier äußerte sich zurückhaltender. Er werde sich die Paradise Papers genau anschauen. “Wir werden die Dokumente prüfen und auch die Auswirkungen auf die europäische Gesetzgebung”, erklärte Altmaier.Zuvor hatte ein Sprecher der Bundesregierung in Berlin den Vorwurf zurückgewiesen, in der Vergangenheit sei zu wenig getan worden. Er zitierte zugleich den kürzlich ausgeschiedenen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble: “Es ist eine Hydra, das heißt, sie schlagen Köpfe ab und es wachsen neue Köpfe nach.”Den Stein erneut ins Rollen gebracht hatte die “Süddeutsche Zeitung”. Sie hatte berichtet, ihr seien 13,4 Millionen Dokumente zugespielt worden, in denen Namen von 120 Politikern und Prominenten aus fast 50 Ländern enthalten seien. Darunter finde sich unter anderem US-Handelsminister Wilbur Ross. Dieser wies Kritik an einem Firmen-Engagement mit Bezug zu Russland zurück. Die Bundesregierung begrüßte die Recherche als Beitrag, “Strukturen, Akteure und Nutznießer steuerlicher Parallelwelten” bekanntzumachen.