Parlament nimmt May an die Leine

Regierung muss bei Ablehnung des Austrittsvertrags innerhalb von drei Tagen Plan B vorlegen

Parlament nimmt May an die Leine

Die Gegner der britischen Premierministerin Theresa May haben ihr die zweite empfindliche Abstimmungsniederlage binnen 24 Stunden beigebracht. Das Unterhaus gab der Regierung gestern vor, binnen drei Sitzungstagen einen Plan B vorzulegen, sollte der Austrittsvertrag am Dienstag abgelehnt werden.Von Andreas Hippin, LondonDas britische Unterhaus wird sich beim Brexit das Tempo nicht mehr von der Regierung vorgeben lassen. Zu Beginn der Debatte über den im Namen von Premierministerin Theresa May ausgehandelten Austrittsvertrag beschlossen die Abgeordneten, dass ihre Regierung innerhalb von drei Sitzungstagen einen Plan B vorlegen muss, sollte der Deal am Dienstag vom Parlament abgelehnt werden. Die Regierung, die bislang davon ausgegangen war, 21 Tage Zeit zu haben, bis sie eine Alternative auf den Tisch legen muss, unterlag mit 297 zu 308 Stimmen. Eingebracht hatte den Vorschlag Dominic Grieve.Der ehemalige Generalstaatsanwalt für England und Wales war David Camerons Chefberater in Rechtsfragen und hat sich bereits mehrfach mit Anträgen hervorgetan, die dem Parlament mehr Mitsprache bei den Brexit-Verhandlungen verschaffen sollten. Ende 2017 brachte er May mit der Unterstützung weiterer EU-freundlicher Tories wie Kenneth Clarke und Anna Soubry und den Stimmen der Opposition die erste Abstimmungsniederlage bei. Sein Änderungsantrag zum EU Withdrawal Bill, der dem Parlament ermöglicht hätte, unter bestimmten Voraussetzungen die Kontrolle über die Brexit-Verhandlungen mit Brüssel zu übernehmen, versandete allerdings im Juni, nachdem sich die Regierung kompromissbereit zeigte. Nun ist er am Ziel. John Bercow, der Sprecher des britischen Unterhauses, zog sich den Zorn der Brexiteers zu, weil er die Abstimmung gegen den Rat seiner Mitarbeiter zugelassen hatte. “Guerillakampagne”Am Dienstag hatte das Unterhaus mit 303 zu 296 einen Zusatz zur Haushaltsgesetzgebung (Finance Bill) beschlossen, der die Handlungsmöglichkeiten der Regierung im Falle eines Hard Brexit erheblich einschränkt. Es war das erste Mal in mehr als 40 Jahren, dass eine Regierung mit ihrem Finance Bill im Parlament Schiffbruch erlitt. Elf konservative Politiker hatten sich hinter den von der Labour-Politikerin Yvette Cooper eingebrachten Zusatz gestellt, darunter die ehemalige Bildungsministerin Nicky Morgan, der Cameron-Berater Oliver Letwin und der Churchill-Enkel Nicholas Soames. Alles in allem stimmten mehr als 20 Abgeordnete der Konservativen gegen ihre Regierung.Die Tory-Rebellin Sarah Wollaston sagte, dass sie mit anderen Abgeordneten, die einen No-Deal-Brexit verhindern wollen, eine “Guerillakampagne” führe, um zu demonstrieren, dass ein Austritt ohne Übereinkunft niemals die Zustimmung des Parlaments finden wird. Das Problem dabei ist, dass es keine Rolle spielt, ob das britische Parlament bekundet, keinen Hard Brexit zu wollen. Wenn es sich auf keine Alternative zu Mays Deal einigen kann, fällt das Vereinigte Königreich auch ohne die Zustimmung der Abgeordneten am 29. März aus der Staatengemeinschaft heraus. Sie machen es allerdings der Regierung, die ebenfalls keinen Hard Brexit anstrebt, schwerer, die Folgen eines Austritts ohne Übereinkunft mit Brüssel abzumildern.Er hoffe, dass Großbritannien im europäischen Mainstream des wirtschaftlichen und sozialen Denkens bleiben werde, hatte Schatzkanzler Philip Hammond vor zwei Jahren der “Welt” gesagt. “Aber wenn man uns zwingt, etwas anderes zu sein, dann werden wir etwas anderes werden müssen.” Die dafür nötige Änderung des Wirtschaftsmodells in Verbindung mit radikalen Steuersenkungen dürfte der Regierung unter den neuen Rahmenbedingungen schwerfallen. Die konservativen Brexit-Gegner verhindern zwar nicht den Austritt, aber sie sorgen dafür, dass er das Land stärker belasten wird als ohnehin schon.”Die Wahrscheinlichkeit, dass wir versehentlich ohne Übereinkunft dastehen, ist sehr groß”, schrieb der konservative Oberhausabgeordnete Daniel Finkelstein in seiner “Times”-Kolumne. “Es ist unverantwortlich, jegliche Vorbereitungen zu verhindern die wir vielleicht treffen müssen. Wir sollten stärker darüber nachdenken, wie wir das managen.”