NOTIERT IN WASHINGTON

"Partei der weißen Männer" leckt ihre Wunden

Der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney ist von der politischen Bühne verschwunden, ein neuer Hoffnungsträger ist nicht in Sicht, und nun bangt die republikanische Partei um ihre Zukunft. Einige Experten sprechen vom Anfang des Endes der...

"Partei der weißen Männer" leckt ihre Wunden

Der Präsidentschaftskandidat Mitt Romney ist von der politischen Bühne verschwunden, ein neuer Hoffnungsträger ist nicht in Sicht, und nun bangt die republikanische Partei um ihre Zukunft. Einige Experten sprechen vom Anfang des Endes der konservativen Bewegung in den USA.Theoretisch mögliche Szenarien gab es in Hülle und Fülle. So war von potenziellen Nachzählungen und Gerichtsverfahren, ähnlich wie nach dem Duell zwischen George W. Bush und Al Gore vor zwölf Jahren, die Rede. Auch glaubten viele, dass Präsident Barack Obama womöglich die Mehrheit der Wahlmännerstimmen gewinnen würde, Romney aber mehr Direktstimmen bekommen würde. Das wiederum wäre ein gespaltenes Mandat gewesen und hätte der Opposition einen Grund gegeben, die Legitimität des Wahlsiegs in Frage zu stellen, so wie es 2000 die Demokraten taten. Als aber fast alle Stimmen ausgezählt waren, standen die Demokraten als strahlende Sieger da. Obama hätte selbst ohne den wichtigen “Swing-Staat” Ohio gewonnen, der doch angeblich alles entscheiden sollte.Auch konnten die Demokraten im Senat zwei zusätzliche Mandate erobern und liegen dort mit 55 zu 45 nun deutlich vor den Republikanern. Erwartet hatte die Oppositionspartei das Gegenteil: Republikaner hatten darauf gesetzt, auch im Oberhaus wieder die Mehrheit bekommen zu können. “Ich war fest davon ausgegangen, dass der nächste Präsident Mitt Romney heißt und er in beiden Kongresskammern die Rückendeckung seiner Partei genießen würde”, sagt Rick Manning, Sprecher der erzkonservativen Organisation “Americans for Limited Government”.Am Tag danach lecken die Republikaner ihre Wunden und fragen sich nun, wie es weitergehen soll. Eine zentrale Rolle spielt die sogenannte “Tea Party”, jener rechtsgerichtete Parteiflügel, der während der Vorwahlen Kandidaten wie Michelle Bachman und den rechtsreligiösen Rick Santorum ins Rampenlicht katapultierte und für einige Zeit hoffen ließ, sie könnten als Vertreter ihrer Partei das Duell mit Obama aufnehmen. “Keine Frage, einflussreiche Vertreter der Tea-Party-Bewegung zwangen Romney, zumindest optisch einen Rechtsruck zu vollziehen”, erklärt der republikanische Stratege Alex Castellanos. “Er musste das tun, um als Konservativer ernst genommen zu werden. ” In der Tat hatte es der spätere Spitzenkandidat in der Anfangsphase des Wahlkampfs schwer, die Unterstützung des rechten Parteiflügels zu gewinnen, die in dem seinerzeit politisch moderaten Gouverneur von Massachusetts eine Art “verkappten Demokraten” vermuteten. Langfristig ging Romneys wankelmütige Haltung aber zu Lasten seiner Glaubwürdigkeit und könnte ihn nach Ansicht vieler Experten die Wahl gekostet haben.Dass die siegessicheren Republikaner sich maßlos überschätzt hatten liegt aber auch an einschneidenden demografischen Veränderungen. So gewann Romney nicht weniger als 59 % der Stimmen weißer Wähler. Vor zwölf Jahren hätten ihm solche Zahlen problemlos zum Sieg verholfen. Doch seit 2002 ist in den USA der Anteil ethnischer Minderheiten an der Gesamtbevölkerung um 30 % gewachsen, Latinos verzeichneten sogar einen Zuwachs von 43 %. Von ihnen wählte aber drei Viertel Obama, während fast alle Schwarzen dem Amtsinhaber ihre Stimme schenkten.Um bei künftigen Wahlen Chancen zu haben, das glauben führende Parteistrategen, müssen die Republikaner Kandidaten finden, die nicht überwiegend weiße Männer ansprechen, sondern auch Minderheiten umwerben können – sowohl mit ihrer Persönlichkeit als auch ihren politischen Positionen. Auch muss die Rolle der Tea-Party-Fraktion geklärt werden, die als rebellische Querdenker dem Integrationsprozess innerhalb der Partei eher schädlich sind.Schließlich waren es zwei Vertreter der Tea Party, deren Niederlagen bei den Wahlen in Indiana und Missouri die Republikaner um ihre Chancen im Senat brachten. “Unsere Partei muss sich zweifellos neu definieren”, resümierte der langjährige Sprecher des Repräsentantenhauses und frühere Präsidentschaftskandidat Newt Gingrich. “Das aber ist ein langwieriger, aufreibender Prozess, mit dem wir nicht länger warten können.”