Rohstoffpolitik

Peking baut Drohkulisse mit Grafit-Exporten auf

China sorgt für Aufregung mit der Einführung von Exportkontrollen für den Rohstoff Graphit. Die Maßnahme gilt als industriepolitische Waffe im Streit mit den USA und verbündeten Ländern.

Peking baut Drohkulisse mit Grafit-Exporten auf

China schränkt Grafit-Exporte ein

Kritische Mineralien als industriepolitisches Droharsenal – Retourkutsche im Technologiestreit mit USA

China sorgt für Aufregung mit der Einführung von Exportkontrollen für den Rohstoff Grafit. Die Maßnahme gilt als industriepolitische Waffe im Streit mit den USA und verbündeten Ländern. Es könnten künftig Engpässe bei der Versorgung mit einem für die Produktion von E-Auto-Batterien entscheidenden Material geben.

nh Schanghai
Kommentar Seite 2

Im Umfeld geo- und industriepolitischer Streitigkeiten mit westlichen Industrienationen hat die chinesische Regierung am Freitag zusätzliche Exportkontrollen für einige Kategorien des mineralischen Rohstoffs Grafit angekündigt. Dies bedeutet, dass chinesische Unternehmen mit Wirkung zum Dezemberbeginn explizite Genehmigungen für die Ausfuhr des Rohstoffs und darauf basierender Produkte beantragen müssen. Grafit ist wesentlicher Bestandteil von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos und findet auch im Maschinenbau, in der petrochemischen Industrie sowie in der Rüstungs- und Luftfahrtindustrie breite Anwendung.

Nationale Sicherheit

Laut einer Mitteilung des Handelsministeriums werden neun Typen von natürlichen und synthetisch gewonnenen Grafitmaterialien neu in die Exportkontrollsystematik aufgenommen. Dabei wird auf ihren Charakter der „dualen Verwendung“, sprich zivile und militärische Nutzungszwecke abgestellt und die Maßnahme mit der Wahrung nationaler Sicherheitsinteressen begründet.  Gleichzeitig versichert Peking, dass die Exportkontrolle für Grafitprodukte allgemeiner Natur sei und keine einzelnen Länder oder Regionen zur Zielscheibe nehme.

Da die wichtigsten Abnehmerländer für die überwiegend in China angesiedelte Förderung und Verarbeitung von Grafitmaterialien die USA, Japan, Korea und Indien sind, wird die Maßnahme dennoch als eine industrie- und auch geopolitische Drohgeste gewertet. Schließlich liegt Peking gerade in den letzten Monaten auch wegen Restriktionen im Bereich der Chiptechnologie sowie wegen Nachbarschaftskonflikten genau mit diesen vier Ländern besonders im Clinch.

Verbindung zum Chip-Streit

Vor wenigen Tagen erst hatte die US-Regierung die Restriktionen für den Export hochleistungsfähiger Chips in Richtung China verschärft. Washington will insbesondere dafür sorgen, dass China möglichst wenig Zugang zu hochwertigen Chips und Prozessoren bekommt, die im Feld der künstlichen Intelligenz (KI) Anwendung finden. In den Monaten davor hatten die USA die Restriktionen für den Export von Chipausrüstungstechnologie nach China verschärft und dabei auch Japan und Korea als verbündete asiatische Hochindustrieländer mit eingebunden.

Warnschuss bei Seltenen Erden

Peking hatte die verschiedenen Anläufe der US-Regierung, das Netz von Technologierestriktionen gegenüber China engmaschiger zu knüpfen, zum Anlass genommen, mit konkreten Gegenmaßnahmen zu drohen. Als erster markanter Schritt gelten dabei die im August überraschend eingeführten Exportkontrollen für zwei der Kategorie der sogenannten Seltenen Erden zugeordneten mineralischen Rohstoffe Gallium und Germanium, die in der Hightech-Industrie genutzt werden.

China macht sich mit den Drohgesten in Sachen Ausfuhr von sogenannten „kritischen Mineralien“ den Umstand zunutze, dass das Land die mit Abstand größten natürlichen Vorkommen und Produktionsketten aufweist. Im Falle von Grafit in seiner natürlichen Rohstoffform sind etwa 65% der weltweiten Produktionskapazität in China angesiedelt. Weitere führende Fördererländer sind Brasilien, Madagaskar und Mozambik. Bei der Verarbeitung des Materials für die Anwendung in Batterien vereint China 90% der weltweiten Herstellungskapazität auf sich. Gegenwärtig gibt es aber keine auffällige Knappheitssituation bei Grafit. Noch halten sich Angebot und Nachfrage in etwa in Waage. Allerdings gehen Experten davon aus, dass sich im Zuge des Booms in der Elektroautoindustrie in den kommenden Jahren eine Angebot-Nachfrage-Schere öffnen könnte, wenn die Kapazitäten weltweit nicht massiv ausgebaut werden. Derzeit ist aber noch unklar, ob China tatsächlich eine Verringerung von Exportmengen der Grafitprodukte durchsetzen wird oder nur bestrebt ist, eine Drohkulisse aufzubauen, die in den USA, bei der EU und und nicht zuletzt auch in Japan und Korea eine einschüchternde Wirkung entfalten soll.

Von Norbert Hellmann, Schanghai
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