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Peter Bofinger 65

Von Archibald Preuschat, Frankfurt Börsen-Zeitung, 14.9.2019 Mitte Mai dieses Jahres in der Berliner Zentrale der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung am "Tag der progressiven Wirtschaftspolitik": SPD-Politiker und Ökonomen diskutieren über...

Peter Bofinger 65

Von Archibald Preuschat, FrankfurtMitte Mai dieses Jahres in der Berliner Zentrale der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung am “Tag der progressiven Wirtschaftspolitik”: SPD-Politiker und Ökonomen diskutieren über Schuldenbremse und den Verstaatlichungsvorschlag von Juso-Chef Kevin Kühnert. So richtig progressiv sind die Argumente nicht.Dann kommt die Stunde von Peter Bofinger. Eigentlich sollte er die ganztägige Konferenz nur zusammenfassen – aber er überzeugt als einer der wenigen mit progressiven Argumenten. Das passt zu dem an der Universität Würzburg lehrenden Professor für Volkswirtschaftslehre. Er versteht sich auf klare Sprache und eckt auch schon mal an – so wie in seinen drei jeweils fünfjährigen Amtszeiten im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Vor zwei Jahren etwa stellten sich alle seine Wirtschaftsweisen-Kollegen öffentlich gegen Bofinger, weil er sich auf dem Höhepunkt des Diesel-Skandals für mehr staatlichen Zentralismus und Marktlenkung ausgesprochen hatte.”Lasst uns mal was Neues wagen”, ruft er auch den Teilnehmern des “Tages der progressiven Wirtschaftspolitik” in der Friedrich-Ebert-Stiftung zu und rechnet vor: Die jetzt erreichte Staatsverschuldung sollte nicht absolut, sondern relativ zur Wirtschaftsleistung konstant gehalten werden. “Bei einem Verschuldungsgrad von etwas unter 60 % und einem unterstellten mittelfristigen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in laufenden Preisen von 3 % ist dann eine Neuverschuldung von rund 1,5 % durchaus vertretbar. Dies schafft einen Spielraum für zusätzliche Investitionen von rund 50 Mrd. Euro pro Jahr.” Entschiedener AntizyklikerBofinger, der im vergangenen Jahr in der Rangliste der einflussreichsten Ökonomen im deutschsprachigen Raum geführt wurde, ist ein entschiedener Verfechter einer antizyklischen Haushaltspolitik. Er kritisiert auch die Maastricht-Kriterien, die die Neuverschuldung von Mitgliedern der Eurozone auf 3 % und die Schuldenstandsquote eines Euro-Landes auf 60 % des Bruttoinlandsproduktes begrenzen, als nicht nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewählt und daher willkürlich.Je hitziger die Debatte um schwarze Null und Schuldenbremse wird, desto gefragter seine Meinung. So wurde Bofinger jüngst vom Deutschlandfunk interviewt. Um 6.50 Uhr, erzählt er, Prime Time für Deutschlandfunk-Hörer, die sich beim Frühstück oder auf dem Weg zur Arbeit informieren. Aber eben so gar nicht seine Zeit.Ein früher Vogel ist der Ökonom zwar bei volkswirtschaftlichen Debatten, nicht aber im täglichen Arbeitsablauf. Auch als Lehrender hängt er noch am eisernen Studenten-Grundsatz fest, dass Ausschlafen wichtig ist. Und auch äußerlich hat Bofinger keinesfalls Professoren-Patina angesetzt. Mit seiner grau melierten Kurzhaarfrisur, mitunter auch zu Dreitagebart, hat er sich etwas Jugendliches erhalten.Auch Facebook findet Bofinger gut. Nicht, dass er sich ständig in dem sozialen Netzwerk aufhält, das würden sein Forschungs- und Lehrauftrag sowie seine zahlreichen Verpflichtungen gar nicht erlauben. Es ist Facebooks Kryptowährung Libra, die ihn als Wirtschaftswissenschaftler fasziniert und zur Forschung animiert.Schon seine Dissertation, mit der Bofinger 1984 zum Dr. rer. pol. an der Universität des Saarlands promovierte, trug den Titel “Währungswettbewerb”. In ihr beschäftigte er sich in einer systematischen Darstellung und kritischen Würdigung mit Friedrich August von Hayeks Plänen zu einer grundlegenden Neugestaltung unserer Währungsordnung. Sechs Jahre später habilitierte er sich ebenfalls in Saarbrücken.Am kommenden Mittwoch feiert Bofinger seinen 65. Geburtstag. Mit ziemlicher Sicherheit bei einem guten Glas Wein. Denn an seiner Wahlheimat Würzburg schätzt der gebürtige Pforzheimer nicht nur die Lebensqualität und die gute Verkehrsanbindung, sondern nicht zuletzt die guten Frankenweine, die sozusagen direkt hinter seinem Haus an den Hängen des Mains wachsen.