LEITARTIKEL

Pfand statt Fetisch

Mehr Investitionen - hallt es aus der SPD in diesen Tagen. Die Sozialdemokraten meinen, damit das richtige Rezept für Wohlstand und Wachstum in Europa gefunden zu haben. In Zeiten niedriger Zinsen schrecken sie vor neuen Schulden nicht mehr zurück....

Pfand statt Fetisch

Mehr Investitionen – hallt es aus der SPD in diesen Tagen. Die Sozialdemokraten meinen, damit das richtige Rezept für Wohlstand und Wachstum in Europa gefunden zu haben. In Zeiten niedriger Zinsen schrecken sie vor neuen Schulden nicht mehr zurück. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) solle endlich den Richtung Europa erhobenen Zeigefinger senken und seine “schwarze Null” im Bundeshaushalt aufgeben. Mit mehr Investitionen in Infrastruktur und zusätzlichen Ausgaben für Forschung und Bildung lasse sich das Wachstum ankurbeln, lautet das Kalkül. Auch in den anderen Ländern der EU, die unter dem Regime des Stabilitätspakts ächzen, gäbe es bei mehr Investitionen eine bessere Lage.Schäuble wird dem Bundeskabinett morgen seinen Etatentwurf für 2017 samt mittelfristiger Finanzplanung bis 2020 vorlegen. In allen Jahren wird dort die “schwarze Null” unter dem Strich stehen. Diese Null ist – anders als die Kritiker es glauben machen wollen – durchaus nicht durch einen Sparkurs erzwungen. Vielmehr steigen die Ausgaben des Bundes in den nächsten Jahren spürbar, um 2,5 % im Durchschnitt: Von geplanten 311 Mrd. Euro in diesem Jahr sollen sie im nächsten Jahr auf 317 Mrd. Euro zulegen und drei Jahre später, im Jahr 2020, etwas mehr als 349 Mrd. Euro erreichen. Berücksichtigt sind die Kosten für die Flüchtlinge und auch die zusätzlichen sozialpolitischen Belastungen aus den Wohltaten der schwarz-roten Koalition in dieser Legislaturperiode: die abschlagreife Rente mit 63 für die SPD, die besonders teure Mütterrente für CDU/CSU, die Erhöhung von Wohngeld und Elterngeld. Es sind die sprudelnden Steuereinnahmen, die diese erklecklichen Ausgabensteigerungen auf ein immerhin um 38 Mrd. Euro erhöhtes Niveau innerhalb von fünf Jahren möglich machen, ohne die Null zu kippen. Die gute Konjunktur und die hohe Beschäftigung füllen die Staatskasse. Spielraum schaffen aber auch die niedrigen Zinsen. Der Bund, der einst mehr als 40 Mrd. Euro Zinsausgaben im Jahr kalkulierte, hat zuletzt nur noch 24 Mrd. Euro im Bundeshaushalt 2016 veranschlagt. Eine höhere Neuverschuldung würde diesen Spielraum zunichtemachen.Anders als die Kritiker meinen, ist der ausgeglichene Bundeshaushalt kein Fetisch, um anderen Angst zu machen. Die Null zeigt nicht den anderen EU-Ländern: Seht her, wir können es besser. Sie signalisiert: Konsolidieren und Wachsen kann Hand in Hand gehen. Denn seit das vermeintliche Wunder eines ausgeglichenen Etats vollbracht wurde, ist der böse Zauber gebrochen. Was jahrzehntelang als unmöglich galt, wurde Realität. Der Staat ist durchaus in der Lage, mit den gegebenen Mitteln auszukommen, wenn nur der Wille da ist. Dabei sind die Ausgaben des Bundes für innere Sicherheit, für Forschung und Bildung, für Entwicklungshilfe und Investitionen in Infrastruktur wie Verkehrswege und Breitbandausbau sogar aufgestockt worden.Die schwarze Null ist kein Fetisch, sondern das Pfand für eine kluge Haushaltspolitik. Es geht darum, sorgsam mit den Staatsfinanzen umzugehen. Die Frage: Reicht das Geld und wo ist das Limit für zusätzliche Schulden? ist banal und verstellt den Blick auf wichtigere Aspekte: Wofür eigentlich gibt der Staat das Geld aus? Erreicht die Regierung damit ihre politischen Ziele? Noch in den Kinderschuhen steckt hierzulande die Wirkungsanalyse von Haushaltspolitik. Es gibt nur erste Erfahrungen mit sogenannten “Spending Reviews”, die Ausgaben auf die angepeilten Ziele hin evaluieren. Hinzu kommt, dass mangelnde Investitionen nicht allein ein Zeichen fehlenden Geldes sein müssen. Es geht auch um Planung, Genehmigungsverfahren und ausreichende Kapazität zur Umsetzung bei den Auftragnehmern. Die Baubranche etwa ruft nicht nach noch mehr Geld.Zu guter Letzt: Die schwarze Null ist kein Selbstläufer. So steht etwa in der Planung des Bundeshaushalts 2018 noch eine “globale Minderausgabe” von knapp 5 Mrd. Euro. Diesen Betrag muss der Bund einsparen, um den Haushalt ins Lot zu bringen. Betroffen ist die Planung im Wahljahr 2017 für das Folgejahr. Bis dahin werden die Karten ohnehin neu gemischt. Können Steuereinnahmen immer weiter steigen, ohne dass Bürger durch eine Steuersenkung profitieren? Darüber denkt die CDU/CSU nach. Oder sollen bestimmte Gruppen zusätzliche Steuern schultern, wie es die SPD mit einer Vermögensteuer erwägt? Dies alles kann in die Finanzplanung einer amtierenden Regierung nicht einfließen. Es ist Sache der nächsten Legislaturperiode – aber bitte mit schwarzer Null.——–Von Angela WefersSchwarze Null im Bundeshaushalt oder mehr Investitionen? Die Finanzplanung von Wolfgang Schäuble zeigt, dass beides geht.——-