Konjunktur

Pharma und Energie belasten Produktion

Deutliche Produktionsrückgänge in den energieintensiven Bereichen, der Pharmaherstellung und der Energieerzeugung haben die Industrieproduktion im Mai ausgebremst. Die Aussichten sind trübe, wie etwa der geringere Lkw-Verkehr im Juni zeigt. Dies schürt die ohnehin um sich greifenden Konjunktursorgen.

Pharma und Energie belasten Produktion

Pharma und Energie belasten Produktion

Industrie drosselt Fertigung unerwartet – Konjunktursorgen nehmen zu – Automobilbranche legt zu

Deutliche Produktionsrückgänge in den energieintensiven Bereichen, der Pharmaherstellung und der Energieerzeugung haben die Industrieproduktion im Mai ausgebremst. Die Aussichten sind trübe, wie etwa der geringere Lkw-Verkehr im Juni zeigt. Dies schürt die ohnehin um sich greifenden Konjunktursorgen.

ba Frankfurt

Die unerwartet geringere Industrieproduktion im Mai schürt die Sorgen, dass sich die Rezession verlängert. Auch wenn Ökonomen das Minus auf Sonderfaktoren zurückführen, bleiben sie skeptisch, denn die Aussichten sind trübe: Die Auftragseingänge, die zwar im Mai vor allem wegen Großaufträgen überraschend kräftig ausgefallen sind, befinden sich seit vergangenem Jahr im Abwärtstrend, die Auftragsbücher leeren sich – wenn auch von rekordhohen Niveaus aus –, die Produktionserwartungen sinken und die Stimmung der Industrieunternehmen wird immer schlechter. Zudem deutet auch die im Juni geringere Lkw-Fahrleistung auf deutschen Autobahnen eine niedrigere Industrieproduktion an.

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) sank die Gesamtfertigung von Industrie, Bau und Energieerzeugern im Mai preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,2%. Ökonomen hatten allerdings mit einer Stagnation gerechnet. Im April hatte der Ausstoß noch um 0,3% zugelegt, nachdem es im März ein Minus von 2,1% gegeben hatte. Die Produktion habe sich damit weiter stabilisiert, kommentierte das Bundeswirtschaftsministerium, und liege im Mai wieder auf ihrem durchschnittlichen Niveau im ersten Quartal 2023. „Trotz der eingetrübten Stimmung in den Unternehmen deutet die jüngste Stabilisierung der Nachfrage auf eine – wenn auch zunächst moderate – Erholung der Industriekonjunktur in den kommenden Monaten hin“, hieß es beim Ministerium weiter. Im Mai hatten die Neubestellungen unerwartet um 6,4% zugelegt – das war das kräftigste Wachstum seit drei Jahren. Allerdings ist damit der Einbruch um knapp 10% im März nicht ausgeglichen und fast die Hälfte des Zuwachses entfällt auf Großaufträge im sonstigen Fahrzeugbau.

Drei Sondereffekte

„Es lässt sich nicht leugnen, dass der Konjunkturmotor weiterhin untertourig läuft.“, betonte Jens-Oliver Niklasch von der LBBW. Die konjunkturelle Wahrheit liege aber wahrscheinlich näher an den Produktionszahlen als an den Aufträgen. Andreas Scheuerle von der DekaBank wertet die Produktionsdaten als „echte Enttäuschung“. Drei Sondereffekte würden zusammen rund 1,25 Prozentpunkte des Produktionswachstums ausmachen: Dazu zählt er den Einbruch der Energieerzeugung um 7,0% im Monatsvergleich. Innerhalb der Industrie sei die Pharmaproduktion ohne Vorankündigung um 13,1% zurückgegangen. Zudem hätten die energieintensiven Branchen ihre Aktivität um kräftige 1,4% gedrosselt, „die nun fast auf dem Niveau des Hochpunkts der Energiekrise liegt“. Im Vergleich zum Vorjahr war die energieintensive Produktion im Mai 2023 um 12,4% niedriger. Dass die Bauproduktion um 0,4% sinken würde, war für Scheuerle zu erwarten gewesen. Die Baubranche leidet einerseits unter den höheren Energie- und Materialkosten, aber auch unter den strikteren Finanzierungskonditionen infolge des beispiellosen Zinserhöhungskurses der Europäischen Zentralbank (EZB).

Die Industrie im engeren Sinne weitete die Fertigung um 0,2% aus. Zudem wurde der Vormonatswert kräftig um 0,4 Prozentpunkte auf +0,5% nach oben revidiert. Innerhalb der Industrie entwickelten sich die beiden hierzulande gewichtigsten Branchen uneinheitlich: Während der Maschinenbau die Produktion um 0,5% einschränkte, meldete der Bereich Kfz und Kfz-Teile ein Plus von 4,9%. Letzteres hatten die Zahlen des Automobilverbandes bereits angedeutet. Allerdings sind die Ifo-Geschäftserwartungen im Autosektor im Juni von -15,3 auf -56,9 auf das niedrigste Niveau seit Dezember 2008 (-67,8) „regelrecht eingebrochen“, warnt Stefan Schneider, Deutschland-Chefvolkswirt der Deutschen Bank. Einen weiteren Hinweis, dass die Produktion auch Ende des zweiten Quartals „eher mau gewesen sein dürfte“ gebe der Lkw-Maut-Index. Dieser ist laut Destatis im Juni kalender- und saisonbereinigt um 1,4% gesunken. Er gilt als früher Hinweise zur Konjunkturentwicklung in der Industrie, da wirtschaftliche Aktivität Verkehrsleistungen erzeugt und benötigt. Im Mai hatte es allerdings noch ein Plus von 1,6% gegeben, das sich in den am Freitag veröffentlichten Produktionsdaten nicht widerspiegelt.

| Quelle:
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.