Pleiten, Pech und Pannen

Drei Jahre nach dem Brexit-Votum und kein Ende

Pleiten, Pech und Pannen

Von Andreas Hippin, LondonVor drei Jahren, am 23.6.2016, haben sich die britischen Wahlberechtigten in einer Volksabstimmung mit einer Mehrheit von 4 Prozentpunkten für den Austritt aus der EU ausgesprochen. Seitdem versuchen die Befürworter eines Verbleibs in der Staatengemeinschaft den Brexit aufzuhalten – bislang mit Erfolg. Dass Großbritannien es bis heute nicht geschafft hat, die EU zu verlassen, ist dem Unwillen seiner Spitzenbeamten und der Unfähigkeit seiner politischen Kaste zu verdanken. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier darf sich gratulieren.David Cameron, der konservative Premierminister, der es für eine gute Idee hielt, ein Referendum zum Verhältnis mit Kontinentaleuropa auf die Tagesordnung zu setzen, schmiss seinen Job bereits hin, als das Abstimmungsergebnis erst wenige Stunden bekannt war. “Warum soll ich die ganze harte Scheiße für jemand anderes machen?”, soll er seine Berater in der Nacht der Auszählung gefragt haben. Mit “jemand anderes” war wohl der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson gemeint, die Gallionsfigur von Vote Leave, der während der Kampagne nicht nur gegen die EU argumentiert, sondern bereits Teile eines Regierungsprogramms präsentiert hatte. Cameron, der für den Verbleib geworben hatte, war klar, dass er nicht länger Premierminister bleiben konnte.Wäre Johnson nicht sein Kompagnon Michael Gove in den Rücken gefallen, hätte er schon 2016 in die Downing Street einziehen können. Die Zerstrittenheit der Brexiteers führte dazu, dass am Ende die Kompromisskandidatin Theresa May Premierministerin wurde. Am 29. März 2017 stellte sie das Austrittsgesuch nach Artikel 50 des Vertrags von Lissabon. Einen Monat später ließ sie sich von Brüssel diktieren, wie über die Bedingungen des Austritts verhandelt wird: erst über den Austrittsvertrag, dann über die künftigen Beziehungen – aber nur wenn ausreichend Fortschritte bei den Themen gemacht wurden, die Brüssel wichtig waren, wie etwa bei der Austrittsgebühr, der EU-Außengrenze durch Irland und den Rechten von in Großbritannien lebenden EU-Bürgern.May & Co unterschätzten sowohl die Komplexität als auch den Zeitbedarf für die Verhandlungen. Zu keiner Zeit bereiteten sie das Land ernsthaft auf einen Austritt ohne vorherige Übereinkunft mit Brüssel vor. Kein Wunder, dass dort keiner ihre Plattitüde, kein Deal sei besser als ein schlechter Deal, wirklich ernst nahm. May war zu jedem Kompromiss bereit. Am Ende stand ein schlechter Deal, der vom Unterhaus dreimal niedergestimmt wurde. Weder May noch ihre Spitzenbeamten hatten daran gedacht, dass sie den Austrittsvertrag nicht nur aushandeln, sondern auch dem heimischen Publikum verkaufen müssen.Pleiten, Pech und Pannen – etwas Positives lässt sich über die Amtsführung Mays nicht sagen. Ihre Regierung hat es nicht nur nicht geschafft, Austrittsgegner und Brexiteers zusammenzubringen, um gemeinsam voranzuschreiten. Sie hat es gar nicht erst versucht. Die britische Politik ist ein Trümmerfeld. Bei der Ankündigung ihres Rücktritts hatte May außer Selbstmitleid nichts anzubieten. Und als wären ihre toxischen Hinterlassenschaften nicht umfangreich genug, bemüht sie sich, ihrem Nachfolger noch möglichst viele zusätzliche Hindernisse, wie ein unerreichbares CO2-Ziel, in den Weg zu legen.Alles spricht dafür, dass Johnson sie beerben wird. Er kann aber nur weiterwursteln, denn für Neuwahlen fehlt seinen Unterstützern der Mut und für einen No-Deal-Brexit fehlt ihm eine Mehrheit im Parlament. Und so wird Großbritannien wohl bald erneut um eine Verlängerung der Austrittsfrist bitten. Die EU hat einen Pyrrhussieg errungen.