Politik soll Industriestandort stärken
Politik soll Industriestandort stärken
Bundesbank: Digitalisierung und Dekarbonisierung große Herausforderungen – Abhängigkeiten reduzieren
ast Frankfurt
Die Bundesbank sieht die deutsche Wirtschaft trotz jüngst mauer Konjunkturindikatoren und trotz Fachkräftemangel noch gut aufgestellt. Dennoch erwartet sie in ihrem Monatsbericht eine Rezession. Um den Standort Deutschland zu stärken, rät sie zudem zu mehr Planbarkeit – nicht zuletzt in der Klimapolitik.
Die Bundesbank sieht "definitiv Handlungsdruck", um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder attraktiver zu machen. Das geht aus dem aktuellen Monatsbericht hervor, den die Notenbank am Montag veröffentlicht hat. Trotz mauer Konjunkturdaten, die eine Rezession immer wahrscheinlicher machen, sei die deutsche Wirtschaft insgesamt noch gut aufgestellt, heißt es dort. Konsumflaute, Exportschwäche und die anhaltend hohe Inflation dürften allerdings dafür sorgen, dass die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal etwas schrumpft.
Erheblicher Druck
Bundesbank-Präsident Joachim Nagel hatte jüngst die Bezeichnung Deutschlands als "kranker Mann Europas" in einem Interview als "Fehldiagnose" zurückgewiesen. Einen ähnlichen Ton schlägt nun auch der Monatsbericht an. "Noch zeigt sich die deutsche Wirtschaft insgesamt gut aufgestellt", heißt es dort. Allerdings sehen die Ökonomen für den Standort Deutschland große mittelfristige Herausforderungen. Der demografische Wandel belaste die Wachstumsperspektiven und verschärfe die Konkurrenz um Fachkräfte. Die Abhängigkeit des deutschen Exports etwa von China wird ebenso als problematisch erachtet wie die unverändert hohe Abhängigkeit von importierter fossiler Energie.
Die Probleme seien komplex und teilweise miteinander verknüpft. "Beispielsweise ist die Energieversorgung sicherzustellen und internationale Abhängigkeiten sollen sinken", heißt es von der Bundesbank. "Gleichzeitig erfordern die Klimaziele wohl weiter substanzielle Importe von speicherfähigen Energieträgern und bestimmten Rohstoffen." Die grüne und digitale Transformation erfordere zudem noch mehr Fachkräfte. Kurz gesagt: Der Druck ist erheblich.
Staat ist gefragt
Die Zweifel am sogenannten "Geschäftsmodell Deutschland", das auf einer industriebasierten Wirtschaft fußt, wurden zuletzt immer größer. Die Industrie werde durch günstiges Gas aus Russland gestützt und decke den Fachkräftebedarf durch Zuwanderung. Diese Ausrichtung der deutschen Wirtschaft wird als "nicht nachhaltig" kritisiert. Die Deutsche Bundesbank weist in ihrem Bericht diese Kritik nun zurück. Die Herausforderungen seien unbestritten, doch das Geschäftsmodell fuße auf komplexen marktwirtschaftlichen Prozessen innerhalb eines staatlichen Rahmens. "Die aktuelle Diskussion um die deutsche Industrie ist jedoch vor dem Hintergrund der tiefgreifenden Herausforderungen zu sehen, die sich aus Dekarbonisierung, Demografie und Änderungen im internationalen Umfeld ergeben", schreiben die Autoren.
Die Industrie hat in Deutschland unbestritten einen besonderen Stellenwert (siehe Grafik). Der Anteil der Industrie am Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 18%, aber auch an der Beschäftigung mit 16% ist höher als in anderen Industriestaaten. Als umso wichtiger sieht es die Bundesbank, dass die Regierung an den Rahmenbedingungen feilt, um den Unternehmen einen möglichst reibungslosen Übergang zur grünen, digitalen Wirtschaft zu ermöglichen. "Der Staat kann zur Attraktivität des Standorts Deutschland beitragen, indem er für geeignete Rahmenbedingungen sorgt", schreibt die Bundesbank.
Planbare Klimapolitik
Konkret nennen die Autoren die Planbarkeit im Bereich der Energieversorgung und eine konsistente, vorhersehbare Klimapolitik. Das Bildungssystem müsse zudem entsprechende "Schlüsselqualifikationen und vor allem Anpassungsfähigkeit an strukturellen Wandel" vermitteln, um Herausforderungen wie Dekarbonisierung und Digitalisierung zu meistern. Regionale Freihandelsabkommen seien zudem eine Möglichkeit, mehr Bezugsquellen zu erschließen – um etwa bei Vorprodukten für die deutsche Industrie unabhängiger von China zu werden. Nicht zuletzt würde laut Bundesbank eine verbesserte Integration Zugezogener in den Arbeitsmarkt die Attraktivität Deutschlands steigern – ebenso wie effizientere staatliche Verwaltungs- und Genehmigungsprozesse. Die Politik gehe einige dieser Schritte bereits an. "Diese müssen allerdings auch umgesetzt und fortgeführt werden", lautet das Fazit. Der 10-Punkte-Plan aus Meseberg gehe auf wichtige strukturelle Probleme ein, sei aber "noch nicht ausreichend".