Politik ventiliert neue Hilfen für die Autoindustrie
Politik ventiliert Hilfen für Autoindustrie
Habeck unterstützt vorgezogene Revision der EU-Flottengrenzwerte – Branche will von „Strohfeuermaßnahmen“ nichts wissen
Auf dem Autogipfel hat sich die Branche gegen nur kurzfristig wirkende Unterstützungsmaßnahmen der Politik ausgesprochen – wie etwa eine Abwrackprämie. Wirtschaftsminister Robert Habeck versprach aber weitere Unterstützung, unter anderem in Bezug auf die umstrittenen EU-Flottengrenzwerte.
ahe Berlin
Wirtschaftsminister Robert Habeck hat der deutschen Automobilwirtschaft versprochen, ihre Forderung nach einer auf 2025 vorgezogenen Überprüfung der umstrittenen EU-Flottengrenzwerte in Brüssel zu unterstützen. Ob sich die anderen EU-Staaten und die Europäische Kommission darauf einlassen, sei aber unklar, stellte der Grünen-Politiker nach einer Videokonferenz mit Vertretern von Unternehmen, des Branchenverbands VDA und der IG Metall fest. Deutschland habe sich zuletzt in der Verkehrspolitik durch sein Verhalten in Brüssel „nicht gerade mit Ruhm bekleckert“.
Führende deutsche Autobauer hatten sich vor dem Gipfel noch einmal für eine Abschaffung oder zumindest Abschwächung der Flottengrenzwerte ausgesprochen, die 2019 im Zuge der CO₂-Regulierung der EU eingeführt wurden. „Die Schätzungen der EU-Kommission waren zu optimistisch, wie sich jetzt zeigt“, sagte Mercedes-Chef Ola Källenius dem „Handelsblatt“. Unterstützung erhielten die Unternehmen in diesem Punkt auch von der FDP und der CDU/CSU: „Die Vorgaben auf EU-Ebene müssen korrigiert werden“, betonte die wirtschaftspolitische Sprecherin der Unions-Bundestagsfraktion, Julia Klöckner. Die Bundesregierung müsse auf europäischer Ebene darauf dringen, die CO₂-Flottenregulierung auszusetzen und somit Strafzahlungen für die Hersteller ab 2025 zu verhindern.
Nach Angaben von Habeck wurden von Seiten der Unternehmen dagegen kurzfristige Hilfen und Kaufanreize abgelehnt. Die Branche wolle nicht schon wieder „Strohfeuermaßnahmen“ der Politik. Man sei sich bei dem Austausch einig gewesen, dass man „lieber keine Maßnahmen als Schnellschüsse“ wolle.
SPD für neue Abwrackprämie
Forderungen nach einer neuen Abwrackprämie waren zuvor insbesondere aus der SPD gekommen. Die Rede war von 6.000 Euro für den Umstieg von einem Verbrenner auf ein E-Auto. Der Vorschlag erhielt allerdings auch von FDP und CDU/CSU wenig Beifall. Auch in den Unternehmen war zuvor bereits von einem „kurzfristigen, marktverzerrenden Strohfeuer“ die Rede gewesen.
Auch der Wirtschaftsrat der CDU verwies darauf, dass die Erfahrungen 2009 „durchwachsen“ gewesen seien. Letztlich sei der Strohfeuer-Effekt sehr teuer erkauft worden. Die Bundesregierung hatte in der Finanzkrise 2009 schon einmal mit einer Prämie den Austausch von Autos gefördert: 2.500 Euro Umweltprämie erhielt damals, wer sein Auto verschrotten ließ und ein neues kaufte. ZEW-Präsident Achim Wambach erklärte, dies könne zwar die Umstellung erleichtern. Wenn jedoch funktionsfähige Fahrzeuge stillgelegt würden, würden Werte zerstört.
Ausbau der Ladeinfrastruktur geht weiter
Ein Sprecher des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) erklärte nach dem Gipfel, Anreizsysteme ohne marktverzerrende Preisschwellen leisteten einen erfolgreichen Beitrag zum Hochlauf klimaneutraler Antriebe. Benötigt würden nachhaltige Lösungen. Die IG Metall-Vorsitzende Christiane Benner betonte, die Gewerkschaft sehe die Bundesregierung in der Pflicht, deutlich mehr zur Unterstützung der politisch gesetzten Ziele zu tun. Die IG Metall fordere ein schnelles neues Förderpaket für die Elektromobilität.
Eine Neuauflage einer E-Auto-Prämie stieß in der Debatte auf mehr Widerhall als eine Abwrackprämie. Beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hieß es allerdings, einen spürbaren Nutzen werde eine solche Prämie nur dann haben, wenn es gelinge, die potenzielle Käuferschicht zu erweitern. Der Nutzwert von E-Autos müsse für Menschen erhöht werden, die keine eigene Lademöglichkeit haben. „Wenn die Politik die Produktion und den Absatz von E-Autos in Deutschland fördern will, braucht es zudem dringend Investitionen in den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur.“
Der Energieverband BDEW verwies in diesem Zusammenhang am Montag allerdings darauf, dass sich der rasante Ausbau der Ladeinfrastruktur auch im ersten Halbjahr 2024 fortgesetzt habe: Insgesamt wurden rund 16.000 öffentliche Ladepunkte auf jetzt gut 134.000 in Deutschland zugebaut − ein Plus von 14%. Die Ladeleistung kletterte in den sechs Monaten von 5,4 auf 6,3 Gigawatt. Auch ohne Umweltbonus bewegten sich die Neuzulassungen von E-Autos in diesem Jahr insgesamt auf dem Niveau von 2022, hieß es. Allerdings sei das Segment von Klein- und Kompaktwagen mit 26% Marktanteil nur halb so groß ist wie das Segment der SUVs und Geländewagen (56%).
China erneut im Fokus
Habeck verwies nach dem Gipfel auf die Marktveränderungen im weltweiten Automobilsektor, unter anderem durch die Absatzschwäche in China, die strukturelle Schwäche in Europa sowie durch neue Wettbewerber. Der Grünen-Politiker erklärte, dass er auf eine politische Lösung mit Peking im Autostreit setze und nicht auf Strafzölle der EU.
Der Autogipfel soll der Auftakt eines anhaltenden Dialoges der Branche mit der Politik sein.