Politiker machen Stimmung mit Flüchtlingsproblem
In Mailand kreist derzeit alles um das Flüchtlingsproblem. Rund 55 000 Bootsflüchtlinge sind seit Anfang dieses Jahres bereits an Siziliens Küsten gestrandet. Die bestehenden Aufnahmeeinrichtungen sind meist hoffnungslos überlastet, in vielen Regionen und Gemeinden liegen die Nerven seit längerem blank. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat zu Wochenbeginn ein Rundschreiben des Innenministeriums, mit dem den Regionen neue Quoten zur Aufnahme von insgesamt 8 400 Flüchtlingen zugeteilt wurden. Fast die Hälfte davon sollen in die beiden norditalienischen Regionen kommen, nämlich 2 100 Flüchtlinge in die Lombardei und 1 900 nach Venetien.Im Visier der römischen Kritik stehen nicht nur die EU-Länder, die ihre Quoten nicht erhöhen wollen, sondern auch drei von der populistischen Lega Nord dominierte norditalienische Regionen: die Lombardei, Venetien und Ligurien. Deren Regionalpräsidenten weigern sich, mehr Flüchtlinge aufzunehmen. Roberto Maroni, Präsident der reichsten Region Italiens, der Lombardei, erklärte, dass er keinen weiteren Platz für Immigranten habe. Er drohte den Gemeinden seiner Region sogar, die Subventionen zu kürzen, sollten sie neue Unterkünfte bereitstellen.Das hat Mailands Bürgermeister Giuliano Pisapia auf die Barrikaden gebracht. Er forderte Maroni auf, nicht nur die Verfassung, sondern auch das Evangelium besser zu lesen. Auch die Mailänder selbst ignorierten die fremdenfeindlichen Appelle. 1 200 Migranten, die von Sonntag auf Montag im Mailänder Hauptbahnhof biwakierten, fanden innerhalb von 24 Stunden eine Unterkunft. Und über das Regionalfernsehen wurden die Mailänder aufgefordert, den Hilfsorganisationen keine weitere Kleidung, Nahrungsmittel und Spielzeug mehr zur Verfügung zu stellen – der Bedarf sei bereits mehr als gedeckt.”Die Flüchtlingsverteilung muss nicht nur innerhalb Europas, sondern auch in Italien fair sein”, konterte Innenminister Angelino Alfano. Die Weigerung, Migranten aufzunehmen, sei “Ausdruck von Hass gegenüber dem Süden”, meinte der aus Sizilien stammende Innenminister. Denn die wirtschaftlich ärmere Region Sizilien hat dreimal so viele Flüchtlinge aufgenommen wie die “reichen” Regionen Lombardei und Venetien zusammen. Die Revolte im Norden ist eine Folge der Regional- und Kommunalwahlen vom 31. Mai bzw. der Stichwahlen vom 14. Juni. Die fremden- und europafeindliche Lega Nord konnte ihren Stimmenanteil gegenüber den Parlamentswahlen 2013 verdreifachen.Die Regierung ist über die landesinternen Proteste zwar verärgert, aber nicht beeindruckt. Es sei “traurig”, dass einzelne Regionalpräsidenten den nationalen Flüchtlingsnotstand dazu benutzten, bei den Stichwahlen “ein paar Stimmen mehr zu gewinnen”, erklärte Renzi. Und mit einem Seitenhieb auf den einstigen Innenminister Maroni hielt der Premier fest, dass die Regierung lediglich die Gesetze anwende, die Maroni einst erlassen hatte. *Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi hat nun, nach langem Zögern, 48 % der Anteile seines Traditionsfußballvereins AC Mailand für knapp 500 Mill. Euro veräußert. Analysten halten den Preis für hoch, angesichts der Schulden von 250 Mill. Euro bei einem Umsatz von 230 Mill. Euro. Auch schreibt der AC Mailand rote Zahlen. Käufer ist der thailändische Immobilienhändler und Fußballfan Taechaubol Lee. Angeblich soll Lee innerhalb eines Jahres seine Beteiligung auf 100 % aufstocken. Vorgesehen ist demnächst ein Börsengang in Hongkong oder Singapur.In der Nationalliga rangiert der einstige Kultverein nur mehr auf Platz 10 der Serie A und ist damit von den Europapokalspielen ausgeschlossen. Angesichts der schwachen Saison wurde nun der Trainer Filippo Inzaghi entlassen. 30 Jahre lang hat Berlusconi den Fußballclub kontrolliert. Die mehrmaligen Europameisterschafts- und Nationalligasiege des AC Mailand waren zweifellos einer der Gründe für die Popularität und den politischen Erfolg des 78-jährigen Unternehmers. Nicht nur seine politische Karriere, auch sein wirtschaftliches Imperium droht nun zusammenzubrechen.