Pommes und Milch
Reden wir über das Wetter. Nicht über das der letzten Tage, sondern das der bisherigen Saison. Das mit den extremen Ausschlägen und den vielen Unwettern. In Belgien hat es zum Beispiel im Juni an 24 Tagen geregnet. Der durchschnittliche Niederschlag war so hoch wie seit dem Jahr 1839 nicht mehr. Dass da auch die Landwirte nervös werden, ist verständlich. Die Klagen der belgischen Obst-, Gemüse- und Weizenbauern werden angesichts plattgeregneter Felder und faulender Kartoffeln immer lauter. Die Ernte droht mäßig auszufallen.Ohnehin hört bei Belgiern der Spaß ja bei der Kartoffel auf. Die Rohstoffzufuhr für die Pommes-Produktion darf nicht in Gefahr geraten! Rund 5 000 Fritterien im Land warten täglich auf neue Agria-, Granola- und vor allem Bintje-Lieferungen; Sorten mit einem hohen Stärkegehalt, die sich gut zum Frittieren eignen. Nehmen wir zum Beispiel das legendäre, schon fast 70 Jahre bestehende “Maison Antoine” in Brüssel, das heute einen Eintrag in allen Touristenführern der Welt sicher hat. Der frühere König Albert II. soll schon hier gewesen sein. Und im Februar nahm auch Angela Merkel hier am Place Jourdan eine Pommes-Pause vom EU-Gipfel. Allein im “Antoine” werden täglich 300 Kilo Kartoffelstäbchen verkauft, am Wochenende noch mehr. Lieferengpässe bei den gelb-braunen Knollen sollte es hier besser nicht geben. *Aber so weit ist es ja Gott sei Dank noch nicht. Und ohnehin haben die europäischen Landwirte zurzeit ja noch größere Probleme, wie auf den Krisengipfeln in dieser Woche in Brüssel noch einmal mehr als deutlich wurde. EU-Agrarkommissar Phil Hogan und seine Amtskollegen schnürten ein Hilfspaket von 500 Mill. Euro, um erst einmal die Milchkrise in den Griff zu bekommen.Bei diesem Thema grüßt das Murmeltier zwar nicht täglich, aber zumindest regelmäßig. 150 Mill. Euro sollen nun an die Milcherzeuger gezahlt werden, damit sie ihre Produktion und damit den Angebotsüberschuss drosseln. Ob so der Markt auf Dauer wieder ins Gleichgewicht gebracht werden kann, wird von Experten aber arg bezweifelt. Funktionierende Instrumente zur Anpassung des Angebots an eine schwankende Nachfrage gibt es nämlich nicht. Oder um es einmal so auszudrücken: Die Milchbauern sind in einer Art Schweinezyklus gefangen. *Europa und die Landwirtschaft – das ist schon seit jeher eine schwierige Verbindung. Geld genug ist im System aber auch weiterhin vorhanden. In ihrem Haushaltsentwurf für 2017 gesteht die EU-Kommission den Bauern immerhin rund 43 Mrd. Euro zu – das sind 700 Mill. Euro mehr als noch in diesem Jahr und mehr als ein Viertel der gesamten EU-Ausgaben.Die belgischen Landwirte sind dennoch unzufrieden – auch mit den Ergebnissen des Milchgipfels in dieser Woche. Bereits am heutigen Freitag wollen zahlreiche Bauern deshalb mit ihren Traktoren zur Landwirtschaftsmesse nach Libramont in die Provinz Luxemburg fahren und dort mit Verkehrsblockaden auf ihre Situation aufmerksam machen. Zu der Messe werden in den nächsten Tagen immerhin rund 220 000 Besucher erwartet. *Aber noch einmal zurück zur Kartoffel: Zumindest das “Maison Antoine” hat seine Rohstoffquellen schon diversifiziert, wie man so schön sagt: Je nach Saison kommen die Knollen auch schon mal aus Frankreich, Deutschland und den Niederlanden.Und in Gent hätte eine Kartoffelkrise wahrscheinlich sogar positive Auswirkungen: In der idyllischen Studentenstadt tobt nämlich zurzeit ein erbitterter Streit um die Versteigerung der Konzessionen für die 16 Fritterien der Stadt. Da die alteingesessenen Betreiber nicht mehr bevorzugt behandelt werden, kippten sie im Juni aus Protest kurzerhand eine Tonne tiefgekühlter Pommes vor das Rathaus. Geholfen hat es kaum. Bei der anschließenden Versteigerung sollen dem Vernehmen nach bis zu 50 000 Euro für eine Jahreskonzession zum Pommesverkaufen geboten worden sein.