Präsidentschaftswahlen

Populist Milei geht aus Vorwahlen in Argentinien als Überraschungssieger hervor

Schon jetzt zeichnet sich ab, dass die Regierungsbildung nach den argentinischen Präsidentschaftswahlen im Oktober nicht einfach wird. Die Vorwahlen entschied ein Überraschungskandidat für sich.

Populist Milei geht aus Vorwahlen in Argentinien als Überraschungssieger hervor

Argentinier stimmen für den Wandel

Regierungskoalition erleidet in Vorwahlen schwere Schlappe – Rivalisierende Anti-Peronisten buhlen um Wählergunst

Von Andreas Fink, Buenos Aires

In Argentinien zeichnet sich schon vor den Präsidentschaftswahlen im Oktober eine komplizierte Regierungsbildung ab. In den Vorwahlen, bei denen nicht nur die Parteien antreten, sondern auch deren Kandidaten, setzte sich der Populist Javier Milei durch, der sich selbst als Anarcho-Liberalen bezeichnet.

Die obligatorischen Vorwahlen in Argentinien sind am Sonntag zu einem überraschenden Ausgang gekommen. Zur Wahl standen nicht nur die Parteien, sondern auch deren gegebenenfalls rivalisierende Kandidaten. Als Sieger ging Javier Milei hervor, Spitzenkandidat der Partei „La Libertad Avanza“ (Die Freiheit schreitet voran). Auch die Notenbank reagierte.

Der selbsternannte Anarcho-Liberale, der die traditionellen Parteien als „Kaste“ verunglimpft, setzte sich in 16 der 24 Provinzen durch und gewann gut 30% der Stimmen. Umfragen hatten ihm weniger als 20% zugeschrieben. Milei begrüßte die jubelnden Anhänger am Sonntagabend mit dem Schlachtruf: „Es lebe die Freiheit, verdammt noch mal!“ Und das Publikum sang: „Die Kaste hat Angst!“

Hinter Milei landete die bürgerliche Koalition „Juntos por el Cambio“ („Gemeinsam für den Wandel“). Die bislang stärkste Oppositionskraft hatte sich einen langen Richtungsstreit geleistet, in dem sich am Sonntag nun Patricia Bullrich durchsetzen konnte. Die frühere Ministerin für innere Sicherheit vertritt eine harte und leidenschaftlich konfrontative Linie gegenüber den Peronisten. „Wir wollen die Dekadenz dieses Landes beenden“, so Bullrich.

Konservativer Ex-Präsident spricht vom Beginn einer neuen Ära

Bullrich, die einstige Links-Guerillera, die sich in eine Art südamerikanische Margaret Thatcher verwandelt hat, gratulierte dem siegreichen Liberalen Milei ausdrücklich. Und sie dankte ihrem Förderer, dem liberalkonservativen Ex-Präsidenten Mauricio Macri, der das Wahlergebnis als Beginn einer neuen Ära bezeichnete.

Nur auf den dritten Platz schaffte es die amtierende Regierungskoalition, deren Spitzenkandidat Sergio Massa es nicht vermochte, zum stärksten Einzelkandidaten zu werden. Als amtierender Finanzminister zeichnet der Kandidat der peronistisch ausgerichteten Partei „Frente Renovador“ (Erneuerungsfront) verantwortlich für eine Inflationsrate von 115% und eine massive Verarmung weiter Bevölkerungsschichten. Er vereinte weniger als 22% der Stimmen auf sich.

Jorge Macri gewinnt in Buenos Aires

Das einzige positive Ergebnis für die Peronisten war der Gewinn in der mit 17 Millionen Einwohnern wichtigsten Provinz des Landes, Buenos Aires. In der Hauptstadt hingegen konnte sich Jorge Macri durchsetzen, der Cousin des liberalkonservativen Ex-Präsidenten Mauricio Macri, der die Partei PRO vertritt. Das Wahlergebnis war ein deutlicher Rückschlag für den längst entmachteten Präsidenten Alberto Fernández und auch für dessen mächtige Chefin Cristina Kirchner. Die amtierende Vizepräsidentin hatte sich, offenbar in Erwartung einer Niederlage, im Wahlkampf kaum gezeigt.

In Summe haben am Sonntag mehr als 60% für eine Neuausrichtung des Landes gestimmt. Für Kandidaten, die für eine klare Öffnung der Wirtschaft plädieren, die den übergroßen und übersubventionierten Staat verschlanken wollen und den Bürgern deutlich gesagt haben, dass dieser Wandel alles andere als einfach wird. Viele Versprechen des Wahlsiegers Milei klingen wie populistische Fantasien. So hat er im Wahlkampf angekündigt, im Falle eines Sieges den Peso abzuschaffen und stattdessen den US-Dollar einzuführen. Außerdem versprach er, die Zentralbank zu schließen.

Notenbank steuert gegen

Das schreckte ein knappes Drittel der Wähler nicht ab. Doch es bleibt die Frage, ob jene, die in den Vorwahlen für ihn stimmten, Milei auch wirklich als Präsidenten haben wollen. Schon jetzt steht fest, dass er keine Mehrheit in den beiden Parlamentskammern bekommen wird, was seine Regierungsfähigkeit erheblich schwächen würde.  Bullrichs bislang vertretene Alles-oder-nichts-Position gegen den Peronismus weist viele Parallelen auf zu jener des Anarcho-Liberalen Milei. Wenn Bullrich nun versucht, Wähler in der moderaten Mitte anzusprechen, könnten die leidenschaftlichen Anti-Peronisten unter ihren Anhängern ins Lager Mileis abwandern. Noch komplizierter stellt sich die Lage für den Kandidaten und Minister Massa dar. Obwohl er die Verantwortung für die miserable Wirtschaftssituation trägt, muss er den Wählern versprechen, den von ihm selbst angerichteten Schaden in der nächsten Legislatur zu beheben. Massa zeigte sich am Wahlabend kämpferisch: „Das ist das Ende der ersten Halbzeit, wir haben noch die zweite Halbzeit und die Verlängerung.“ Am 22. Oktober findet die Hauptwahl statt und Mitte November die Stichwahl, deren Abhaltung mit dem Dreidrittelergebnis vom Sonntag als ziemlich sicher gilt. 

Argentiniens Zentralbank reagierte mit Krisenmaßnahmen auf den Aufstieg des libertären Präsidentschaftskandidaten, der die Börse aufgeschreckt hat. Die Börse in Buenos Aires gab im frühen Handel um 3,5% nach. Der Peso ging in den Sinkflug. Die Zentralbank wertete den Peso am Montag um fast 18% ab. Zudem erhöhte sie den Leitzins auf 118 von zuletzt 97%.

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