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Portugal will trotz Erfolgen auf dem Teppich bleiben

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 31.5.2017 Mit einer vierstündigen Bootsfahrt über den Douro, den Fluss entlang der Grenze zwischen Portugal und Spanien, begannen der portugiesische Ministerpräsident António Costa und sein spanischer...

Portugal will trotz Erfolgen auf dem Teppich bleiben

Von Thilo Schäfer, MadridMit einer vierstündigen Bootsfahrt über den Douro, den Fluss entlang der Grenze zwischen Portugal und Spanien, begannen der portugiesische Ministerpräsident António Costa und sein spanischer Amtskollege Mariano Rajoy am Montag das erste bilaterale Gipfeltreffen seit zwei Jahren. Die beiden iberischen Regierungschefs vereinbarten zum Abschluss am Dienstag, gemeinsame Anträge auf europäische Fördermittel für die strukturschwachen Grenzregionen ihrer beiden Länder zu stellen. Unter anderem sollen nun auch die Eisenbahnverbindungen modernisiert und ausgebaut werden. Dabei handelt es sich teilweise um Projekte, die vor mehr als einem Jahrzehnt bereits beschlossen worden waren, doch die schwere, lange Wirtschaftskrise in beiden Ländern machte diesen Plänen dann einen Strich durch die Rechnung.In diesem Sinne feierten der Sozialist Costa und der Konservative Rajoy, dass beide Länder die Rezession überwunden haben und mit robusten Wirtschaftsdaten aufwarten können. Bei der Haushaltskonsolidierung hat Portugal seinen großen Nachbarn, zur Überraschung vieler Experten, sogar überflügelt. Anders als im Fall Spaniens beendete die Europäische Kommission letzte Woche das Verfahren wegen eines übermäßigen Defizits gegen Portugal. Der Fehlbetrag war 2016 auf 2 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gefallen, auf den niedrigsten Wert seit den 1970er Jahren und unter die Vorgaben aus Brüssel. Alles deutet darauf hin, dass Lissabon auch im laufenden Jahr das Ziel von 1,6 % locker unterschreiten wird.Als Costa im Herbst 2015 mit Hilfe der Kommunisten und des Linken Blocks zum Ministerpräsidenten gewählt wurde, gaben nur die treuesten Anhänger seiner Minderheitsregierung Überlebenschancen. Seine Abkehr vom harten Sparkurs, der unter dem internationalen Rettungsschirm von 2011 bis 2014 eingeführt worden war, weckte an den Märkten zunächst Misstrauen. Neben anderen sozialen Maßnahmen nahm Costa die Kürzungen der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Renten zurück und senkte die Einkommensteuern. Die Wirtschaft dankte es mit einem Wachstum von 1,4 % im letzten Jahr. Und für 2017 sehen die Prognosen noch besser aus. Nach einem starken Anstieg des BIP im ersten Quartal von 2,8 % im Jahresvergleich erwarten Volkswirte nun ein Wachstum von gut 2 % in diesem Jahr, über der Prognose der Regierung von 1,8 %. Die Arbeitslosenquote ist deutlich gesunken und lag im April bei 9,8 %, wie das nationale Statistikamt INE am Dienstag mitteilte.Portugals Exportwirtschaft hat in den letzten Jahren einen Sprung gemacht, was Experten zum guten Teil auf gesunkene Lohnstückkosten infolge der Maßnahmen des Rettungsschirms zurückführen. Doch auch die internationale Konjunkturbelebung hat maßgeblich dazu beigetragen. Im Tourismus verbucht das 10-Millionen-Einwohner-Land an der Atlantikküste derzeit einen nie dagewesenen Boom. Auch der Privatkonsum hat sich erholt. Das liegt zum Teil daran, dass viele Menschen wieder etwas mehr Geld in der Tasche haben. Vor allem aber haben die zur Melancholie neigenden Portugiesen offenbar wieder Mut gefasst. Das Verbrauchervertrauen erreichte im Mai den Höchststand seit Beginn dieser Erhebung im Jahr 1997, wie das INE ebenfalls gestern bekannt gab. Die Diskussion um die Kürzungen in den letzten Jahren habe nach Meinung von Finanzminister Mário Centeno das Land zuvor “wirtschaftlich und psychologisch deprimiert”. In der Tat war in Lissabon zuletzt eine deutlich optimistischere Grundstimmung herauszuhören als noch vor zwei oder drei Jahren.Bei aller Freude über diese unerwartet positive Entwicklung bleibt man in Lissabon auf dem Teppich, denn es bestehen weiter einige Risikofaktoren. So hängt Portugal nach wie vor vom Gutdünken der kleinen kanadischen Ratingagentur DBRS ab, die als einzige der vier von der Europäischen Zentralbank anerkannten Firmen dem Land ein Investment Grade attestiert. Nur dadurch profitieren die Portugiesen vom Anleihekaufprogramm der Währungshüter. In Lissabon hofft man nun darauf, dass die anderen drei Agenturen ihre Bewertung bald zum Positiven ändern werden. “Die Situation hat sich seit 2011 sehr verändert, daher macht es keinen Sinn, ein Rating aufrechtzuerhalten, so als wäre nichts geschehen”, klagte Costa auf dem Gipfel mit Rajoy.Die Ratingagentur Fitch lobte vor Tagen die Fortschritte Portugals bei der Haushaltskonsolidierung. Sie warnte jedoch vor den Risiken einer “erhöhten öffentlichen Verschuldung” von 130 % des BIP sowie der “schwachen Qualität der Aktiva im Banksektor”. Die konservative Vorgängerregierung musste Milliarden in die Sanierung der Geldinstitute stecken, allen voran in die Rettung des Banco Espírito Santo im Jahr 2014, dessen unbelastete Aktiva in den Novo Banco ausgelagert wurden. Die Reprivatisierung dieses Instituts steht nun bevor, doch die Veräußerung an den US-Investor Lone Star wird wohl weitere herbe Verluste für den Staat mit sich bringen. Daneben führt die öffentliche Caixa Geral de Depósitos (CGD), das größte Kreditinstitut des Landes, derzeit eine massive Kapitalerweiterung in mehreren Schritten durch.Die sozialistische Minderheitsregierung bleibt daher auf der Hut. Derzeit laufen die Verhandlungen für den neuen Haushaltsplan, und die gute wirtschaftliche Entwicklung hat natürlich Begehrlichkeiten bei den linken Bündnispartnern geweckt. Sie fordern etwa eine höhere Senkung der Steuern für untere und mittlere Einkommen, als die Regierung Costa bewilligen möchte. “Auf dem Tisch liegt kein Vorschlag zur Steuerreform, der die fiskalische Stabilität stören würde”, sagte Finanzminister Centeno. Nachdem die Kommission das Defizitverfahren gegen Portugal ausgesetzt hatte, beteuerte Regierungschef Costa, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt habe und eine “verantwortliche Haushaltspolitik” fortsetzen werde. Gegenüber den Kommunisten und dem Linken Block hat der Ministerpräsident einen Trumpf in der Hand. Denn bei Neuwahlen im Falle eines Scheiterns des Haushalts würden die Sozialisten den jüngsten Umfragen zufolge kräftig zulegen.