Powell eröffnet Stelldichein der Notenbankelite
Die Wetteraussichten für Jackson Hole in den nächsten Tagen sind eher durchwachsen. Vor allem für Freitag sagen die Meteorologen auch einigen Regen in dem kleinen Bergidyll im US-Bundestaat Wyoming voraus. Allzu viel Zeit, schönes Wetter zu genießen, hätten die Notenbanker und Experten, die sich ab Donnerstagabend in Jackson Hole zum alljährlichen Stelldichein der US-Notenbank Fed versammeln, aber vor allem am Freitag ohnehin nicht. Denn dann stehen die Auftritte von Fed-Chef Jerome Powell und EZB-Präsidentin Christine Lagarde an. Davon erhoffen sich auch Ökonomen und Marktteilnehmer rund um den Globus Signale für die Geldpolitik weltweit.
Seit 1978 treffen sich Notenbanker, Volkswirte und Marktakteure aus aller Welt im August in Jackson Hole. Eigentlich soll es dann genau wie beim deutlich jüngeren EZB-Pendant in Sintra darum gehen, fernab der Hektik des Alltags und der Hauptstädte über grundsätzliche Fragen der Geldpolitik zu diskutieren. „Strukturelle Veränderungen in der Weltwirtschaft“ lautet in diesem Jahr das Motto der Tagung. Seit jeher geht es aber auch immer stark um Signale für die kurzfristige Zinspolitik. Im vergangenen Jahr etwa stellte Powell noch lange hohe Zinsen in Aussicht.
In diesem Jahr liegt die Aufmerksamkeit nun womöglich noch stärker auf der kurzen Frist. Schließlich stehen die Zentralbanken nach ihren historischen Zinserhöhungskursen der vergangenen eineinhalb bis zwei Jahre nun vor einer schweren Entscheidung: Erhöhen sie weiter oder nicht? Einerseits hat die Inflation zwar deutlich nachgelassen, aber sie liegt vielerorts immer noch oberhalb des verbreiteten 2-Prozent-Ziels. Andererseits wächst die Sorge, dass eine zu straffe Geldpolitik der Konjunktur komplett den Garaus macht.
Bei ihren letzten Zinssitzungen vor der Sommerpause im Juli hatten sich sowohl die Fed als auch die Europäische Zentralbank (EZB) alle Optionen offengehalten. Zuletzt hatten dann vor allem in den USA unerwartet starke Konjunkturdaten die Spekulationen befeuert, dass die Fed doch noch einmal die Zinsen erhöht. Seit März 2022 hat sie ihren Schlüsselsatz bislang um 525 Basispunkte angehoben – so aggressiv wie seit den 1980er Jahren nicht mehr. Mehrheitlich gehen die Experten aber bislang noch davon aus, dass der Zinsgipfel erreicht ist.
Für Aufsehen sorgte vor kurzem der Präsident der Fed New York, John Williams. Der einflussreiche Notenbanker sprach über mögliche Zinssenkungen. Sein Argument: Wenn die Inflation nachlasse, der nominale Leitzins aber unverändert bleibe, steige der Realzins an. Das könnte womöglich wirtschaftlich nicht angemessen sein. Mit Spannung wird nun erwartet, wie sich Powell positioniert. Er hatte lange Zeit vor allem immer betont, nach Erreichen des Zinsgipfels länger auf diesem Niveau zu bleiben und nicht den Fehler der 1980er Jahre zu wiederholen, als die Fed zu früh die Zinsen senkte – und das Inflationsproblem noch verschärfte.
Auch die EZB hatte im Juli ihre Leitzinsen noch einmal um 25 Basispunkte erhöht. Für die Zukunft ließ sie sich aber nicht in die Karten schauen. Die meisten Experten gehen davon aus, dass im September noch eine weitere Zinsanhebung folgt. Ob es so kommt, ist aber unklar.
Was das sonstige Programm betrifft, hält sich die ausrichtende Fed in Kansas City wie üblich bis zur Tagung relativ bedeckt. Das Tagungsthema legt aber nahe, dass es auch um die großen Megathemen dieser Zeit gehen wird wie Deglobalisierung und Dekarbonisierung. Beim EZB-Forum in Sintra im Juni war es zudem um Fragen wie das zukünftige Verhältnis von Geld- und Fiskalpolitik oder die Zukunft der Notenbankbilanzen gegangen. Da hatten auch Powell und Lagarde miteinander diskutiert. Jetzt gibt es ein Wiedersehen in Jackson Hole.
Powell eröffnet Stelldichein der Notenbankelite
Von Mark Schrörs, Frankfurt
In Jackson Hole geht es um die Zukunft der Geldpolitik – und den eher kurzfristigen Zinsausblick.