US-Konjunktur

Powell lässt sich nicht in die Karten schauen

Nach dem aggressivsten Straffungszyklus seit Jahrzehnten bleibt offen, ob die US-Notenbank weitere Zinserhöhungen beschließen wird. Solides Wachstum und niedrigere Inflation liefern Argumente dafür und dagegen.

Powell lässt sich nicht in die Karten schauen

US-Notenbank hält sich alle Optionen offen

Stetes Wachstum und niedrigere Inflation liefern Argumente für und gegen weitere Zinserhöhungen

det Washington

Nach der am Mittwoch beschlossenen elften Zinserhöhung in den letzten zwölf Sitzungen ihres Offenmarktausschusses (FOMC) bleibt offen, ob die US-Notenbank einen Schlussstrich unter den aggressivsten Straffungszyklus seit Jahrzehnten ziehen wird. Einige Entwicklungen sprechen dafür, zuletzt der PCE-Preisindex, das bevorzugte Inflationsmaß der Fed. Dieser fiel im zweiten Quartal von 4,1% auf 2,6% zurück. Gleichwohl ließ Notenbankchef Jerome Powell in seiner Pressekonferenz durchblicken, dass für ihn die Inflationsbekämpfung weiter Vorrang hat. Die hohen Preise stellen ein Risiko für beide Komponenten des dualen Mandats der Fed dar, nämlich die Vollbeschäftigung und die Geldwertstabilität, betonte Powell. Folglich wollte er weitere Zinserhöhungen nicht ausschließen. 

| Quelle:

Die Abschlusserklärung des Offenmarktausschusses (FOMC) betonte den kräftigen Beschäftigungsaufbau, die niedrige Arbeitslosenquote und das moderate Wirtschaftswachstum. Mit Blick auf die Inflation, die während der vergangenen zwölf Monate deutlich zurückgegangen ist, wurde in der Erklärung lediglich konstatiert, dass die Teuerungsrate nach wie vor “hoch” sei. Diese Feststellung signalisiert, dass weitere Anhebungen des Tagesgeldsatzes bevorstehen könnten, wenn auch nicht im September. Das FedWatch Tool der CME Group unterstellte nämlich nach Powells Pressekonferenz mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass das FOMC in zwei Monaten den Leitzins unverändert lässt. Dieser war am Mittwoch um 25 Basispunkte auf einen Zielkorridor von 5,25 bis 5,5% hochgeschraubt worden – auf den höchsten Stand seit Januar 2001. Wenn nicht weitere, spürbare Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung zu sehen sind, ist aber durchaus möglich, dass die Währungshüter im November oder Dezember wieder die Zügel straffer ziehen könnten.

Argumente für und gegen weitere Straffungen lieferte der jüngste Bericht des Handelsministeriums, dass die US-Wirtschaft im zweiten Quartal um annualisiert 2,4% gewachsen ist. Gestützt wurde die Konjunktur vom Anstieg des Privatkonsums, von Anlageinvestitionen und staatlichen Ausgabenprogrammen. Bankvolkswirte hatten erwartet, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wie auch von Januar bis März nur um 2,0% zulegen würde. Folglich könnte das stete Wachstum Sorgen lindern, wonach weitere Zinserhöhungen das Abgleiten in eine Rezession beschleunigen würden. 

| Quelle:

Teuerungsrate unter 3 Prozent

Zugleich war der PCE-Deflator zum ersten Mal seit 2021 wieder mit einer 2 vor dem Komma versehen und lieferte neben den Verbraucherpreisen, Einfuhrpreisen und anderen Eckdaten ein weiteres Signal für nachlassenden Inflationsdruck. Die Kernrate, die schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise ausklammert, rutschte von 4,9% auf 3,8%. Das wiederum könnte Tauben in den Reihen der Währungshüter animieren, sich gegen weitere Anhebungen des Tagesgeldsatzes zu stemmen.

Für David Kelly, Chief Global Strategist bei J.P. Morgan, hätte Powells Bewertung ausgewogener sein können. Kelly wies auf den Rückgang der Verbraucherpreisinflation hin, die im Juni auf den tiefsten Stand seit März 2021 gefallen war. “Es wäre angemessen gewesen, in der Abschlusserklärung diese Fortschritte zumindest anzuerkennen”, so Kelly. Er beschrieb den von der Fed verfolgten Kurs als “Spiel mit dem Feuer” und schließt ungeachtet des steten Wachstums nicht aus, dass die hohen Zinsen das Abgleiten in eine Rezession, die allerdings milde wäre, beschleunigen könnten.

Ähnlich schätzt Jeffrey Gundlach, CEO des Investmentunternehmens Double Line, die Lage ein. So solle die Notenbank auf weitere Anhebungen der Federal Funds Rate verzichten und verstärkt auf die Einfuhrpreise achten, “die mittlerweile an der Jahresrate gemessen in zweistelliger Höhe zurückgehen und ein klares Signal für deutlich nachlassenden Inflationsdruck liefern”. Edward Moya, Senior Market Analyst beim Börsenmakler Oanda, ist hingegen überzeugt, dass die Fed ihren Zinszyklus beendet hat. “Der disinflationäre Prozess dauert an, folglich dürfte nun Schluss mit den Zinserhöhungen sein. Das wiederum schürt Hoffnungen auf eine weiche Landung.”

Wertberichtigt Seite 2
BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.