Powell signalisiert Flexibilität nach oben
Powell signalisiert Flexibilität nach oben
Weitere Straffungen könnten möglich sein – Arbeitsmarkt weiterhin im Fokus
det Washington
Selten hatten Analysten die Kernaussage nach einem Zinsentscheid der US-Notenbank so akkurat vorausgesagt: Der Offenmarktausschuss (FOMC) der Fed hielt nicht nur das zweite Mal in Folge an einem Leitzinskorridor von 5,25 bis 5,5% fest. Selbst der Wortlaut der Abschlusserklärung war von ein paar Nuancen abgesehen deckungsgleich mit dem Statement vom September. Unterm Strich bedeutet dies, dass Notenbankchef Jerome Powell und seine Kollegen im FOMC einerseits zufrieden sind mit dem weiter robusten Arbeitsmarkt und dem soliden Wirtschaftswachstum.
Fokus auf aktuellen Daten
Gleichzeitig werden sie aber die nach wie vor hartnäckige Teuerung im Auge behalten. Denn trotz der erzielten Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung ist die Zielgröße von 2% noch in weiter Ferne. Für den weiteren Kurs der Notenbank bedeutet dies, dass diese flexibel bleiben und aktuelle Daten berücksichtigen wird. Eine weitere Straffung ist also denkbar, ohne einen unerwarteten Inflationssprung aber wohl kaum im Dezember. Sicher ist derzeit nur, dass die Währungshüter noch nicht daran denken, nach elf Straffungen in absehbarer Zeit die Zügel wieder zu lockern.
Die leichte Abweichung von der letzten Sitzung im September bestand im Wesentlichen aufgrund des überraschend starken US-Wirtschaftswachstums. Dieses lag im dritten Quartal aufs Jahr hochgerechnet bei 4,9% und hatte die Markterwartungen damit deutlich übertroffen. Auch wies Powell auf das weiter solide, aber mittlerweile leicht abgeschwächte Stellenwachstum hin.
Gemischte Signale
So meldete der Arbeitsmarktdienstleister Automatic Data Processing (ADP) für Oktober nur 113.000 Neueinstellungen. Im September hatte ADP einen noch schwächeren Wert von nur 89.000 ermittelt. Wenige Tage danach überraschte dann aber das Arbeitsministerium mit einem Plus von 336.000. Das zuständige Bureau of Labor Statistics veröffentlicht die offiziellen Zahlen am Freitag. Dann wird sich zeigen, ob diese den ADP-Zahlen erneut widersprechen und ein Signal für eine andauernde Stärke am Jobmarkt liefern.
Die Eckdaten unterstreichen also, dass die US-Wirtschaft angesichts einer restriktiven Geldpolitik und der höchsten Zinssätze seit über 20 Jahren eine bemerkenswerte Resistenz bewiesen hat. Umso überraschender ist diese Widerstandsfähigkeit angesichts der deutlich verschärften Finanzierungskonditionen, die laut Fed sowohl Unternehmen als auch Haushalte belasten. Insbesondere warnt die Fed davor, dass bei langfristig steigenden Zinsen das Wachstum gedämpft werden könnte.
Die Gretchenfrage, die sich nun stellt, formulierte Powell so: "Haben wir mit der Geldpolitik eine Position erreicht, die ausreichend restriktiv ist, um die Inflationsrate auf 2% zu drücken?" Die Kernrate des PCE-Preisindex, das bevorzugte Inflationsmaß der Fed, lag im September bei 3,7%, während der Verbraucherpreisindex CPI sogar um 4,1% anzog. Auch steigen mittlerweile die Reallöhne wieder. Das könnte angesichts der Engpässe am Arbeitsmarkt auf einen zunehmenden Kostendruck hindeuten. Auf die teilweise widersprüchlichen Konjunktursignale wissen aber weder Powell noch das FOMC eine Antwort. Moderates Wachstum gepaart mit hartnäckiger Kerninflation könnten noch für längere Zeit prägende Merkmale der US-Wirtschaft bleiben. Solange das der Fall ist, wird sich die Notenbank alle Optionen offenhalten.