LEITARTIKEL

Powells Put

Die nächsten Tage haben es für Beobachter der internationalen Geldpolitik in sich. Heute Abend europäischer Zeit stellt Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank, die Ergebnisse der Sitzung des Offenmarktausschusses vor. Morgen bittet Mario Draghi,...

Powells Put

Die nächsten Tage haben es für Beobachter der internationalen Geldpolitik in sich. Heute Abend europäischer Zeit stellt Janet Yellen, die Chefin der US-Notenbank, die Ergebnisse der Sitzung des Offenmarktausschusses vor. Morgen bittet Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank, nach dem geldpolitischen Treffen des EZB-Rates zur Pressekonferenz. Die Bank of England legt ebenfalls am Donnerstag eine Zusammenfassung der Beratungen im Monetary Policy Committee vor. In der nächsten Woche tagen dann auch die Währungshüter der Bank of Japan zum letzten Mal in diesem Jahr, wobei die Details dazu nach Weihnachten folgen.Der Auftritt von Yellen sticht im Terminkalender der wichtigsten Zentralbanken dieses Mal besonders heraus. Denn die Fed-Chefin dürfte nicht nur zum dritten Mal in diesem Jahr über eine Zinserhöhung um einen Viertelpunkt auf eine immer noch historisch niedrige Spanne von 1,25 bis 1,5 % Auskunft geben, sondern eine Bilanz ihrer Amtszeit ziehen. Im Februar wird Yellen nach vier Jahren an der Spitze der Notenbank von Jerome Powell abgelöst. Sie scheidet auch aus dem Gouverneursrat der Fed aus, dem sie seit 2010 angehört und für den sie bis 2024 mandatiert wäre. Das Treffen des Offenmarktausschusses im Januar findet zwar noch unter Yellens Vorsitz, aber ohne anschließende Pressekonferenz statt. Für die 71-Jährige ist heute daher eine der letzten Gelegenheiten, ihr Erbe als Chair der Notenbank zu erklären.Nach Einschätzung von langjährigen Beobachtern der Fed fällt die Bilanz – wie könnte es auch anders sein – gemischt aus. Nach fast sieben Jahren mit einem Leitzins knapp oberhalb der Nulllinie gelang Yellen Ende 2015 zwar der Einstieg in eine Geldpolitik der kleinen Schritte hin zu einer Normalisierung. Der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik erfolgte zu spät und verläuft zu langsam, halten Kritiker dem entgegen. Ähnlich sieht es hinsichtlich der auf mehr als 4,5 Bill. Dollar aufgeblähten Bilanzsumme aus. Yellen hat im Oktober zwar einen lange erwarteten Plan vorgestellt, wie der Bilanzabbau ähnlich dem “Trocknen von Farbe an der Wand” gelingen soll. Der Plan sei zu zaghaft und lasse offen, auf welche Größe die Bilanz abgeschmolzen werden soll, monierten Kommentatoren. Das Urteil des US-Milliardärs und Bondhändlers Jerry Gundlach fällt vor diesem Hintergrund fast liebevoll aus: “Es sieht so aus, als würde Yellen ein ziemlich gutes Erbe hinterlassen”, zollte Gundlach der ersten Frau an der Fed-Spitze Respekt. “Bisher ist nichts in die Luft gegangen. So weit, so gut.”Mit Blick auf das doppelte Mandat der Zentralbank, die für einen stabilen Arbeitsmarkt und Inflation in der Größenordnung von 2 % sorgen soll, bleiben aber Makel. Im November lag die Arbeitslosenquote mit 4,1 % zwar nahe der Vollbeschäftigung. Die Erwerbsquote verharrt indessen deutlich unter dem Vorkrisenniveau, was auch auf demografische Faktoren zurückgeführt wird. Die ohnehin niedrige Inflation hat zur Verblüffung der Währungshüter im laufenden Jahr zeitweise sogar noch einmal nachgegeben und liegt über die vier Jahre unter Yellen an der Fed-Spitze auf Monatssicht gesehen bei durchschnittlich 1,1 %.Ein Indiz dafür, dass Yellens Bilanz am Ende doch positiv ausfällt, ist die Berufung ihres Nachfolgers, der seit 2012 im Board of Governors sitzt und sich in dieser Zeit nie gegen eine Entscheidung der Notenbankspitze gestellt hat. Mit Powell hat sich Trump auch auf Drängen seines Finanzministers Steven Mnuchin für Kontinuität entschieden. Marktbeobachter rechnen mit einer Fortsetzung des eingeschlagenen Kurses und haben für das nächste Jahr drei weitere Zinserhöhungen im Plan, während Powell mit einem Ausblick auf die langfristige Bilanzsumme die Markterwartungen getroffen hat.Kurz- und mittelfristig wird sich in der Fed wenig ändern, da sind sich Beobachter einig. Interessant wird es, wenn nach bald acht Jahren mit konstanten Zuwächsen auf dem Arbeitsmarkt und einem Bullenmarkt im neunten Jahr irgendwann doch etwas “in die Luft fliegen” oder jedenfalls etwas von der Luft entweichen sollte, welche die Notenbanken über Jahre der ultralockeren Geldpolitik in die Märkte gepumpt haben. Dann wird sich zeigen, ob der seit dem legendären US-Notenbankchef Alan Greenspan und dem Börsen-Crash von 1987 sprichwörtliche “Greenspan Put”, der unter seinen Nachfolgern mehr oder weniger unausgesprochen als “Bernanke Put” und “Yellen Put” fortgeführt wurde, wann immer die Notenbank den Märkten zu Hilfe eilte, auch unter Powell noch gilt.——–Von Stefan ParaviciniDie Bilanz von US-Notenbankchefin Janet Yellen fällt gemischt aus. Mit der Wahl des Nachfolgers zeigt US-Präsident Donald Trump seine Anerkennung.——-