Praet für Eingriffe in Etatsouveränität

EZB-Chefvolkswirt will Vertrauen in Europa stärken - Vorherige demokratische Legitimation notwendig

Praet für Eingriffe in Etatsouveränität

EZB-Chefvolkswirt Peter Praet hat mutige Schritte zur Vertiefung der europäischen Integration samt Eingriffen in die Haushaltssouveränität von einzelnen Staaten gefordert. Nur so lasse sich das angeschlagene Vertrauen zurückgewinnen.ge Berlin – Um die Handlungsfähigkeit Europas wiederherstellen zu können spricht nach Meinung von EZB-Chefvolkswirt Peter Praet viel dafür, dass die Wirtschafts- und Währungsunion weiter vertieft und die “nationalstaatliche Souveränität stärker gebündelt werden muss”. Oberstes Ziel einer Fiskalunion müsse sein zu verhindern, dass haushaltspolitische Fehlentscheidungen in einzelnen Mitgliedstaaten andere Länder oder die Währungsunion als Ganzes belasten, schreibt das Direktoriumsmitglied im neuen Monatsbericht des Bundesfinanzministeriums vom Freitag. “Im Notfall”, also in besonders schweren Fällen der Missachtung von Regelvorgaben könnte nach jüngsten Überlegungen der EU-Spitze die supranationale Ebene die Befugnis erhalten, direkt in den nationalen Haushalt einzugreifen, um beispielsweise einen Ausgabenstopp zu verhängen, solange die Haushaltsschieflage anhält.Derartige Interventionsmöglichkeiten bedeuteten natürlich einen starken Eingriff in die nationalstaatliche Souveränität. Um aber ein reibungsloses Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion wieder herzustellen bedürfe es rascher und mutiger Schritte in Richtung auf ein Mehr an Europa. Da andererseits das Prinzip der nationalen Eigenverantwortung “natürlich” nicht untergraben werden dürfe, sei es unumgänglich, “dass alle diesbezüglichen Entscheidungen hinreichend demokratisch legitimiert sind”, schreibt Praet weiter – “nicht zuletzt um eine größtmögliche Akzeptanz in der Öffentlichkeit zu erzielen”.Der EZB-Chefvolkswirt würdigt in diesem Zusammenhang die mittlerweile angeschobenen Reformen als wichtig – aber als “wohl nicht hinreichend”. Auch wenn die sechs Gesetzesänderungen zur Stärkung des wirtschaftspolitischen Rahmenwerkes (das sogenannte “Six Pack”) die multilaterale Überwachung stärker entpolitisieren und damit automatisieren sollen, so bleibe doch abzuwarten, ob der politische Wille letztlich groß genug ist, um den gestärkten Stabilitäts- und Wachstumspakt und das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten strikt anzuwenden. “Einige Skepsis scheint hier durchaus angebracht zu sein”, schreibt Praet weiter, zumal das Gesetzespaket weiterhin viele Ausnahmetatbestände enthalte und nach wie vor erheblichen Raum für politisches Ermessen biete. Die ersten Erfahrungen mit der Anwendung des Verfahrens seien “nicht unbedingt ermutigend”.