Preise in Euroland steigen wieder
Ende 2014 war die Inflationsrate im Euroraum erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2009 unter die Nulllinie gerutscht. Jetzt liegt sie wieder im positiven Bereich. Die EZB aber dürfte unbeirrt an ihrem QE-Programm festhalten.ms Frankfurt – Die Verbraucherpreise im Euroraum sind im Mai auf Jahressicht zum ersten Mal seit November wieder gestiegen – und das sogar stärker als erwartet. Im Vergleich zum Vorjahresmonat kletterten sie laut Schnellschätzung des EU-Statistikamtes Eurostat um 0,3 %. Im April hatten sie stagniert, nach zuvor vier Monaten mit negativen Inflationsraten. Volkswirte hatten nun für Mai ein Plus von 0,2 % prognostiziert. Noch überraschender war der Anstieg der Kernrate ohne Energie und Lebensmittel von 0,6 auf 0,9 %. Erwartet worden waren 0,7 %. Beispiellose GeldschwemmeDie Europäische Zentralbank (EZB) wird das Verlassen des “roten Bereichs” erfreuen. Aber selbst der starke Anstieg der Kernrate dürfte sie kaum von ihrem Quantitative Easing (QE) abbringen. Seit März kauft sie für monatlich rund 60 Mrd. Euro Wertpapiere, vor allem Staatsanleihen. Mit der Geldschwemme will sie die Wirtschaft und die Inflation ankurbeln. Sie strebt auf mittlere Sicht eine Teuerung von knapp 2 % an.Im Dezember 2014 war die Inflationsrate erstmals seit der Weltwirtschaftskrise 2009 unter die Nulllinie gerutscht. Im Januar sackte sie gar auf – 0,6 % ab. Das ging zwar vor allem auf den Ölpreisverfall zurück. Trotzdem schürte es Diskussionen über eine drohende Deflation. Das war auch ein wesentlicher Treiber für den QE-Beschluss der EZB. Viele Notenbanker fürchten aber auch bereits eine dauerhaft zu niedrige Inflation, weil dies unter anderem die reale Schuldenlast von Haushalten, Unternehmen und Staaten erhöht.Hinter dem Anstieg der Gesamtrate von 0,0 % auf 0,3 % steckt zum einen, dass sich der Preisverfall bei Energie weiter abschwächte, während sich Nahrungsmittel verteuerten. Die Energiepreise gaben auf Jahressicht zwar um 5 % nach. Im April hatte das Minus aber noch bei 5,8 % gelegen und im Januar gar bei 9,3 %. Nahrungsmittel waren 1,2 % teurer, nach einem Plus von 1 % im April. Vor allem unverarbeitete Lebensmittel legten um 2,1 % zu (April: 1,3 %).Zum anderen erklärt sich das Anziehen der Inflation mit dem Anstieg bei der weniger schwankungsanfälligen Kernrate. Diese war lange Zeit meist im Bereich von 0,7 bis 1 % geschwankt – was QE-Gegner stets als Zeichen gegen eine drohende Deflation gewertet hatten. Im April war sie dann auf 0,6 % gesunken.Hinter dem jetzigen, unerwartet starken Anstieg auf 0,9 % steckt ein Plus von 0,3 % (April: 0,1 %) bei den Industriegütern ohne Energie und ein Plus von 1,3 % (1 %) bei den Dienstleistungen. Während sich bei Ersterem allmählich die Euro-Abwertung niederzuschlagen scheint, geht Letzteres zumindest zum Teil wohl auch auf Basiseffekte zurück – etwa infolge von Volatilität durch die Ostertage im April. Spannend wird es nun zu sehen sein, wie die Kernrate im Juni ausfallen wird. Dann könnte sie wieder etwas nachgeben.Eine Reihe Volkswirte warnte jedenfalls davor, den Anstieg der Kernrate als Indiz für ein deutliches Anziehen des zugrundeliegenden Inflationstrends zu interpretieren. Dagegen spreche etwa eine weiter hohe Unterauslastung der wirtschaftlichen Kapazitäten, niedriger Lohndruck und gedämpfte Preiserwartungen, sagte Gizem Kara von BNP Paribas.Viele Ökonomen prognostizieren nun ein Anziehen der Gesamtinflation auf 1 % oder etwas mehr bis Ende dieses Jahres. Das liegt weiter unter dem EZB-Ziel – und spreche somit auch gegen einen baldigen Kurswechsel der EZB, sagte etwa Christoph Weil von der Commerzbank: “Eine Ende der ultralockeren Geldpolitik ist noch lange nicht in Sicht.”