Premiere mit offenem Ausgang
Wenn die CDU am Samstag einen neuen Parteivorsitzenden als Nachfolger vom Annegret Kramp-Karrenbauer wählt, werden die Delegierten auch das Erbe von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Sinn haben. Wegen der Pandemie ist der Parteitag zum ersten Mal im Online-Format organisiert. Von Stefan Paravicini und Angela Wefers, BerlinDie Generalprobe in dieser Woche hat funktioniert. Wenige Tage vor der Wahl des neuen Parteivorsitzenden auf ihrem ersten Online-Parteitag an diesem Samstag hat die CDU einen Probelauf im Digital-Format absolviert. Mehr als 800 der 1 001 Delegierten hätten am Dienstagabend ohne technische Probleme an dem Test teilgenommen, sagte ein Parteisprecher. Auch eine Online-Abstimmung probten sie. Die Delegierten stimmten an ihren Computern von Zuhause mit Ja, Nein oder Enthaltung über verschiedene Musikrichtungen ab. Zur Wahl standen Pop, Rock und Klassik. Zumindest eines steht seitdem fest: Die CDU ist die Partei der Rockliebhaber.Wer von den drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz den Parteitag rockt, ist hingegen völlig offen. Als Nachfolger für Annegret Kramp-Karrenbauer bewerben sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und der ehemalige Bundesumweltminister Norbert Röttgen, der seit 2014 den Vorsitz im Auswärtigen Ausschuss des Bundestages innehat.Belastbare Umfragewerte zum Abstimmungsverhalten der Delegierten gibt es keine. Geht es nach den öffentlichen Wahlempfehlungen aus den vergangenen Tagen, hat Laschet die Nase vorn. Immerhin sprachen sich zuletzt die Fraktionsvorsitzenden der Union aus Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Bremen, Thüringen und Brandenburg für Laschet aus. Auch sein hessischer Amtskollege Volker Bouffier warb für Laschet, und Kramp-Karrenbauer sprach ihm unter den Kandidaten die meiste Regierungskompetenz zu. Die Frauen Union, eine der wichtigsten Vereinigungen innerhalb der Partei, der am Samstag rund ein Drittel der Delegierten zugerechnet werden können, gab zwar keine eindeutige Empfehlung ab, sprach sich aber für Laschet oder Röttgen aus. In Umfragen unter CDU-Anhängern liegt der NRW-Ministerpräsident allerdings hinter Merz und mittlerweile zum Teil auch hinter Röttgen. Ungewohnte DynamikDie öffentliche Unterstützung kurz vor dem Parteitag werten Beobachter denn auch als Zeichen der Schwäche des Laschet-Lagers. Die Empfehlungen könnten gerade unter Sympathisanten von Merz die Reihen schließen, heißt es. Dass die Wahl an den heimischen Bildschirmen stattfindet, verändert die übliche Dynamik eines Parteitages. Das gilt insbesondere für den sehr wahrscheinlichen Fall einer Stichwahl, sollte kein Kandidat im ersten Wahlgang die Mehrheit der Delegierten auf sich vereinen. Merz kann vor allem in der einflussreichen Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT) mit Unterstützung rechnen, die ihn für die Wahl nominiert hat. Doch auch Norbert Röttgen, der sich im Februar als letzter der drei Kandidaten in das Rennen eingeschaltet hat, werden mittlerweile mehr als Außenseiterchancen eingeräumt.Der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden kommt auch deshalb so große Bedeutung zu, weil 2021 nicht nur das Erbe der als Parteichefin glücklosen Kramp-Karrenbauer auf dem Spiel steht, sondern in wenigen Monaten auch die Nachfolge von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Alle drei Kandidaten für den Parteivorsitz haben klargemacht, dass sie den CDU-Parteichef bei der Entscheidung über den Kanzlerkandidaten der Union in der Pole-Position sehen. Die Einigung mit der Schwesterpartei CSU auf den Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im September wird deshalb die erste Bewährungsprobe für den neuen Parteichef sein. Denn der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder, dessen Umfragewerte die drei Kandidaten um den CDU-Parteivorsitz bei der Kanzlerfrage in den Schatten stellen (siehe Grafik), verbirgt seine Ambitionen nur noch halbherzig. Mit Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), der 2018 wie Merz im Rennen um den Parteivorsitz Kramp-Karrenbauer unterlag und sich nun zu Laschets Gunsten zurückgezogen hat, sondiert Chancen als Spitzenkandidat im Bund.Zunächst muss die CDU aber ihren Parteichef küren, und das wird unter den Bedingungen des Online-Parteitages kompliziert. Weil das Parteienrecht eine rein digitale Wahl eines Parteivorsitzenden verbietet, muss nach der Online-Abstimmung eine analoge Briefwahl abgehalten werden, um die rechtlichen Anforderungen zu erfüllen. Am Samstag wird es deshalb nur einen vorläufigen Sieger geben. Juristisch gültig ist das Ergebnis nach der Auszählung der Briefwahl-Stimmen am 22. Januar.