WIE STABIL IST DIE WÄHRUNGSUNION?

Profis lassen Staatsanleihen links liegen

Nachholbedarf bei institutionellen Investoren spricht für steigende Kurse

Profis lassen Staatsanleihen links liegen

Von Grit Beecken, FrankfurtIn Teilen der Eurozone ist Ruhe eingekehrt. Während Berlin, Paris und Brüssel über abgehörte Telefonate von Spitzenpolitikern, mögliche Kapitallücken bei Banken und Produktinformationsblätter diskutieren, nähern sich die Risikoaufschläge der Anleihen wankender Peripheriestaaten denen deutsche Papiere immer weiter an.Diese Risikoaufschläge – die sogenannten Spreads – sind ein Gradmesser für den Stress in der Eurozone. Bevor Mario Draghi, Präsident der Europäischen Zentralbank, im Sommer 2012 versicherte, er werde alles Notwendige tun, um den Währungsraum zusammenzuhalten, waren die Spreads in bislang ungesehene Höhen geschnellt. Seitdem sinken sie – zuletzt mit zunehmender Geschwindigkeit. “Die letzten Wochen liefen sehr gut”, berichtet ein Renditehändler. “Derzeit sehen wir zwar ein paar Gewinnmitnahmen, im Großen und Ganzen hat sich die Lage aber deutlich entspannt.” Die Risikoaufschläge sinkenZur Erklärung: Wenn Investoren Staatsanleihen verkaufen, um Gewinne zu realisieren, dann steigen die Renditen der Papiere. Denn die Rendite einer Staatsanleihe errechnet sich aus dem Kurs des Papiers und dessen Zinssatz. Je niedriger der Kurs, desto höher die Rendite.Das hat auch Auswirkungen auf die Risikoaufschläge. Denn je höher die Rendite einer Anleihe, desto höher ist auch der Spread – es sei denn, bei deutschen Staatsanleihen verändert sich die Rendite im gleichen Maß. Bis vor kurzem sanken die Renditen deutscher Staatsanleihen immer dann, wenn diejenigen der Peripheriepapiere stiegen, weil Anleger aus den riskanteren Anleihen in den sicheren Hafen Bundesanleihen flohen.Doch diese Zeiten sind vorbei, berichten Händler. “Wir beobachten keine negative Korrelation mehr”, heißt es in einer Großbank. Und die Renditen dürften weiter sinken, das zumindest erwarten die Marktbeobachter von Sentix aufgrund der Ergebnisse der aktuellen Sentix Global Investor Survey. Anleger setzen auf AktienDerzeit sind Profianleger am Rentenmarkt unterinvestiert. Sie haben in den vergangenen Monaten vor allem auf Aktien gesetzt. “Die Anleger positionieren sich zu defensiv und verschlafen den nach wie vor intakten Zinsbullenmarkt”, sagt Patrick Hussy, Geschäftsführer von Sentix Asset Management.Denn obwohl die Risikoaufschläge in der Eurozone sinken, sind die Zinsen zeitweise stark gestiegen. Nachdem die US-Notenbank Federal Reserve im Mai erstmals ein Ende ihrer monatlichen Anleihenkäufe und damit eine Verknappung der Liquidität im Finanzsystem ankündigte, legten die Renditen von Staatsanleihen deutlich zu, deutsche Zehnjahrespapiere warfen mitunter mehr als 2 % ab. Derzeit sind es etwa 1,75 %.Doch die Profianleger warten auf die Zinswende, also den Zeitpunkt, an dem die Notenbanken ihre Leitzinsen anheben, und zwar bereits seit 2009. Sie kaufen Papiere mit geringeren Laufzeiten, um nicht auf niedrig rentierenden Anleihen zu sitzen, wenn das Zinsniveau steigt. “Wir beobachten seit vier Jahren eine chronische Verweigerungshaltung am Rentenmarkt – und das, obwohl der Markt immer wieder beweist, dass das Gegenteil richtig wäre”, sagt Sentix-Experte Hussy.Zum Jahresende dürften die Renditen nun aber erst einmal weiter zurückgehen. Zum einen steigt im vierten Quartal die Nachfrage nach Staatsanleihen saisonbedingt, weil viele Versicherte ihre Policen bezahlen und die Assekuranz diese Gelder am Rentenmarkt investiert. Zum anderen dürfte der ein oder andere Anleger das Warten auf die Zinswende aufgeben und sich längerfristig in Staatspapieren engagieren. Geldpolitik bleibt laxDenn ein Ende der lockeren US-Geldpolitik rückt in immer weitere Ferne. Die Arbeitslosenzahlen sind nach wie vor weit von den Zielen der Federal Reserve entfernt und die Konjunktur ist zuletzt wieder ins Stottern geraten – nicht zuletzt bedingt durch den US-Etatstreit und den damit verbundenen Ausgabenstopp. Zwar wurde in letzter Sekunde eine Einigung erzielt, doch schon Anfang 2014 geht der Streit in die nächste Runde.Am Markt herrscht daher immer mehr die Auffassung vor, dass die Federal Reserve nicht so bald aus ihrem Anleihenkaufprogramm aussteigen kann. Und in Europa, das stellt EZB-Chef Draghi regelmäßig klar, ist ein Ende der lockeren Geldpolitik noch lange nicht in Sicht. In diesem Umfeld spricht alles dafür, dass sich Europas Rentenmarkt weiter erholen kann – sofern die Politik mitspielt und es in den Peripheriestaaten keine Stressereignisse wie Regierungsumbildungen gibt. “Man handelt nach wie vor auf politische Ereignisse”, berichtet ein Marktteilnehmer.