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Puigdemonts Stunde der Wahrheit naht

Von Thilo Schäfer, Madrid Börsen-Zeitung, 30.1.2018 Alles ist bereit, damit das frisch gewählte Regionalparlament von Katalonien am heutigen Dienstag einen neuen Ministerpräsidenten wählt. Mit dem im Oktober von der Zentralregierung abgesetzten...

Puigdemonts Stunde der Wahrheit naht

Von Thilo Schäfer, MadridAlles ist bereit, damit das frisch gewählte Regionalparlament von Katalonien am heutigen Dienstag einen neuen Ministerpräsidenten wählt. Mit dem im Oktober von der Zentralregierung abgesetzten Carles Puigdemont gibt es nur einen Kandidaten, und die drei separatistischen Parteien verfügen über eine knappe, aber ausreichende Mehrheit der 135 Abgeordneten. Dennoch wollte am Montag niemand voraussagen, was im katalanischen Parlament passieren wird. Denn Puigdemont, der sich nach dem Eingriff der Zentralregierung Ende Oktober mit vier weiteren Kabinettskollegen nach Belgien absetzte, droht in Spanien die sofortige Verhaftung, sollte er versuchen, persönlich vor den Parlamentariern zu erscheinen.Die Polizei verstärkte in den letzten Tagen die Kontrollen an der Grenze zu Frankreich und rund um das Parlament, das im malerischen Ciutadella Park von Barcelona liegt. Alles, damit der abgesetzte Ministerpräsident keinen Fuß in den Plenarsaal setzt. Am Samstag hatte das spanische Verfassungsgericht die Möglichkeit untersagt, wonach Puigdemont per Videoschaltung aus dem Ausland an der Debatte zu seiner Wiederwahl teilnehmen oder die Rede von einem anderen Abgeordneten seiner Partei verlesen lassen könnte. Die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte die Verfassungshüter aufgerufen, die Kandidatur des Separatistenführers für ungültig zu erklären. Der Antrag wurde von den Richtern jedoch vorerst nicht beantwortet. Stattdessen verlangen sie von Puigdemont, dass er sich eine richterliche Erlaubnis einholen müsse, um im Parlament auftreten zu können. Darauf verzichtete der Katalane jedoch, sodass eine rechtlich wirksame Wahl ausgeschlossen ist.Es gibt mehrere Szenarien: Puigdemont könnte wie ein Houdini die Sicherheitskräfte überrumpeln und sich im Parlament wählen lassen, bevor er dann abgeführt wird. Das von den “independentistas” kontrollierte Präsidium der Kammer könnte ebenfalls den Rechtsbruch riskieren und ohne Anwesenheit des Kandidaten abstimmen lassen. Möglich ist auch, dass die Wahl verschoben wird. Schließlich könnte Puigdemont im letzten Moment doch noch auf das Amt verzichten und einem anderen, unbelasteten Separatisten den Weg freimachen.Letzteres gilt als unwahrscheinlich. In den fast vier Monaten in Brüssel pochte Puigdemont darauf, der “legitime Ministerpräsident Kataloniens” zu sein. Sollten die Separatisten das nicht akzeptieren, würden sie sich zu Handlangern der Zentralregierung und deren “Staatsstreich” machen. Bei der Neuwahl im Dezember hatte Puigdemonts Liste ganz knapp die Nase vor den Republikanern der ERC. Diese nahmen dann zähneknirschend dessen Wiederwahl in Kauf.Doch das Katz-und-Maus-Spiel des Führers im belgischen Exil mit der spanischen Justiz scheint den Geduldsfaden vieler Separatisten arg zu strapazieren. Am Wochenende schlug Joan Tardà, Abgeordneter von ERC im spanischen Parlament, vor, dass Puigdemont zum Wohle der gemeinsamen Sache auf eine Wiederwahl verzichten solle. Tardà wurde zwar zurückgepfiffen, aber viele Gesinnungsgenossen denken ähnlich. Statt es erneut auf den Zusammenprall mit dem Staat ankommen zu lassen, was zu einer erneuten Neuwahl führen könnte, hätten viele “independentistas” lieber einen Regierungschef ohne Probleme mit der Justiz, um wieder etwas Normalität zurückzuerlangen.