Putin hat große Pläne für Russland
Bei seinem alljährlichen großen Presseauftritt gibt sich der Kreml-Chef wirtschaftlich ambitioniert, außenpolitisch souverän – und wie immer recht schlagfertig. Die Möglichkeit eines Atomkriegs ist seines Erachtens gestiegen, weil die internationale Ordnung bröckle. Am angekündigten Abzug der US-Truppen aus Syrien hat er seine Zweifel.Von Eduard Steiner, MoskauDie neuesten ökonomischen Eckdaten, vor deren Hintergrund Russlands Präsident Wladimir Putin gestern seine jährliche Pressegroßkonferenz absolviert hat, waren alles andere als animierend. Erst am Tag zuvor war bekannt geworden, dass die Realeinkommen auch im November wieder gesunken sind und – sofern sie auch im Dezember fallen – die Bevölkerung das fünfte Jahr in Folge einen Rückgang erleidet. Niedriger Ölpreis belastetWenige Tage zuvor hatte die russische Zentralbank den Leitzins unerwartet angehoben, weil die Angst vor neuen Sanktionen auch die Inflation wieder anheizt. Die Prognose für das Wirtschaftswachstum 2019 lautet nun auf gerade mal 1,3 %. Und der für Russland wichtige Ölpreis ist so niedrig wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr.Aber Putin ficht das alles nicht an. Zumindest lässt er sich seine Sorge nicht anmerken. Und so wartete er bei seiner nun 18. Pressekonferenz mit erprobten Kraftlosungen und Durchhalteparolen auf. Die russische Wirtschaft habe sich nicht nur auf die westlichen Sanktionen eingestellt. Die Sanktionen hätte die Russen auch gezwungen, das “Hirn einzuschalten”, um Sektoren zu entwickeln und etwa in der Landwirtschaft einen “beispiellosen Sprung” hinzulegen, sagte er.Putin möchte mit seinem Land wirtschaftlich in eine neue Liga aufsteigen. “Angesichts der Größe der Wirtschaft könnten wir sehr gut den fünften Platz einnehmen”, sagte er mit Blick auf die Weltwirtschaft. “Und ich denke, das werden wir tun”, fügte er hinzu. Russland brauche einen “Durchbruch” bei technologischen Innovationen: “Ohne das hat unser Land keine Zukunft.”Gegenwärtig rangiert Russland auf dem Weltbank-Ranking auf Platz 12 der größten Volkswirtschaften. Der Rücksetzer in den vergangenen Jahren ist dem Ölpreisverfall ab Mitte 2014, den Sanktionen, aber auch dem Mangel an Investitionen, die für ein neues Wirtschaftsmodell nötig wären, geschuldet.Die Sanktionen deutete Putin gestern als Versuch des Westens, das immer mächtigere und wettbewerbsfähigere Land am Fortschritt zu hindern. Entsprechend fehlte es auch nicht an Seitenhieben gerade auf die USA, die laut Putin die Welt regieren möchten. Russland werde zum Feind stilisiert, um im Westen das Volk innenpolitisch zu sammeln oder die Länder innerhalb der Nato bei der Stange zu halten.Überhaupt hat Putin bei seinem fast vierstündigen Auftritt vor mehr als 1 700 Journalisten die Außenpolitik, die Frage der Ukraine und sogar das Thema eines möglichen Atomkrieges hoch gewichtet.Konkret warnte er davor, die Gefahr eines Atomkriegs zu unterschätzen. Das Risiko einer solchen Eskalation ist seines Erachtens insofern gestiegen, als die internationale Ordnung gerade zusammenbreche. “Das sind ernsthafte Fragen und es ist eine Schande, dass es eine Tendenz gibt, sie zu unterschätzen”, sagte der Kreml-Chef. Er verwies abermals auf die Ankündigung der USA aus dem sogenannten INF-Vertrag auszusteigen, der den beiden Atommächten den Bau und die Stationierung von Mittelstreckenraketen untersagt. “Gott möge es verhindern, aber wenn es dazu (zu einem Atomkrieg) käme, würde dies das Ende aller Zivilisation bedeuten und vielleicht auch des Planeten”, so Putin.Was die zwei außenpolitischen Hauptschauplätze – Ukraine und Syrien – betrifft, blieb Putin bei der Ansicht, dass der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Konflikt im Schwarzen Meer vom Zaun gebrochen habe, um sich angesichts der Wahlen 2019 einen Vorteil zu verschaffen. Die Regierung in Kiew machte er auch dafür verantwortlich, durch ihre Blockade das Leiden der Bevölkerung in der Ostukraine zu verursachen. VerschleißerscheinungenSehr sicher schien sich Putin beim Thema Syrien zu fühlen. Dass die USA ihre Truppen von dort abziehen wollen, begrüßte er, hegte aber Zweifel, dass sie es tatsächlich tun. Denn auch in Afghanistan seien sie trotz gegenteiliger Ankündigungen “immer noch da”, wie er sagte. Recht gab er US-Präsident Donald Trump in der Meinung, dass die Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS) in Syrien in weiten Teilen besiegt sei.Putin ist souverän und schlagfertig wie eh und je. Geschickt spielte er auch gestern wieder aus, dass er immer gut vorbereitet ist und wichtige Kennzahlen auswendig weiß. Die konsequent antiwestlichen Stereotype legen aber auch Verschleißerscheinungen offen.