QE: Nur Ersatzdroge - oder doch Medikament?

Von Stephan Lorz, Frankfurt Börsen-Zeitung, 28.4.2015 An Quantitative Easing (QE) als Mittel der Geldpolitik scheiden sich die Geister. In manchen weckt das Instrument regelrechte Heilserwartungen, andere halten es allenfalls für ein Placebo, viele...

QE: Nur Ersatzdroge - oder doch Medikament?

Von Stephan Lorz, FrankfurtAn Quantitative Easing (QE) als Mittel der Geldpolitik scheiden sich die Geister. In manchen weckt das Instrument regelrechte Heilserwartungen, andere halten es allenfalls für ein Placebo, viele für Teufelszeug mit starken Nebenwirkungen. Die Europäische Zentralbank (EZB) hält Käufe von Staatsanleihen, wie jetzt seit einigen Wochen getätigt, für ein taugliches Mittel der Geldpolitik, um eine Deflation zu verhindern, das Wachstum zu stärken und dabei auch die Inflation wieder auf “normale” Werte heraufzuschleusen.Gebetsmühlenartig werden die Wirkungskanäle runtergebetet, von Unternehmen, die dann wieder günstiger Kredite erhalten können, und von Staaten, denen durch die fiskalische Zinsentlastung Raum für Reformen geboten wird. Die Abwertungswirkung auf den Euro wird zwar hingenommen als zusätzlicher Wachstumstreiber, gleichzeitig aber stets beteuert, dass man dies – natürlich – nicht als Zielgröße anvisiert hat.Ifo-Chef Hans-Werner Sinn lässt auf der Jahrestagung der Analystenvereinigung CFA in Frankfurt keinen Zweifel aufkommen, dass er von QE nichts hält. Er spricht von einer Ersatzdroge, nachdem zunächst die Privatinvestoren den Euro-Südländern das Geld hinterhergeworfen und sie vom Wohlstandsniveau abhängig gemacht hätten. Nun sei es die EZB, welche die Südeuropäer nach der Krise “mit ihrer Niedrigzinspolitik am Leben hält”. Erhöhe sich der Zins im Zuge der Konjunkturerholung, würde man schnell erkennen, dass die Staatsfinanzen selbst in Spanien, Portugal und Irland, die ob ihrer Reformkraft so gelobt werden, nicht so stabil sind, wie sie derzeit scheinen.Neben einer realen Abwertung dieser Länder durch sinkende Kosten und mithin niedrigerem Wohlstand kann nach Meinung von Sinn allenfalls eine Inflationierung die Probleme noch lösen. Deshalb stellt nach seiner Meinung die QE-Politik der EZB für die Krisenländer “die letzte Chance dar, doch wieder wettbewerbsfähig zu werden”. Denn QE schütze vor dem Unbill der Märkte und schenke ein Zeitfenster für Reformen. Allein der Glaube, dass es tatsächlich für Reformen genutzt wird, fehlt ihm allerdings.Auch der europäische Ratingchef von Standard & Poor’s (S & P), Moritz Kraemer, zweifelt, dass mit QE in die Eurozone eine neue Wachstumsdynamik Einzug hält. Neben mangelnden Reformen komme die demografische Belastung hinzu. Das drückt sich nach seiner Überzeugung auch darin aus, dass die Euro-Ökonomien bei Investitionen noch nicht zum Vorkrisenniveau zurückgefunden hätten. Kommt das Wachstum aber nicht auf Touren, wird das auch die Glaubwürdigkeit der EZB beschädigen, was dann wieder ihre Fähigkeit zur Beeinflussung der Märkte verringert – ein Teufelskreis.Erschwerend wirkt, dass QE Sinn zufolge nur über einen einzigen Wirkungskanal funktioniert: die Abwertung der Währung. Die USA, Großbritannien und Japan hätten das Glück gehabt, früher zu beginnen. Für die Eurozone stelle sich nun die Frage, wie lange die USA die Eintrübung ihres Außenhandels durch den schwachen Euro hinnehmen wollten. Letztendlich können ja nicht alle gegenüber allen anderen abwerten. Ein Nullsummenspiel also?Oder alles doch nur eine ökonomische Scheinblüte? Kraemer weist darauf hin, dass die Erholung in Großbritannien nur deshalb schneller vonstattenging, weil sie mit einer höheren Inflation verbunden gewesen sei. Das macht das Leben vieler privater Haushalte schwer. Und in den USA sei QE mit einer dramatisch zunehmenden Ungleichheit verbunden, weil die Vermögenden davon hauptsächlich profitierten. Eine nachhaltige politökonomische Entwicklung sieht anders aus. Zumal die große Krise offenbar noch aussteht. “Glauben Sie”, fragt Sinn, “ob die USA und Japan ihre Schulden jemals zurückzahlen werden?” “Ich nicht”, antwortet er selber. Hält also nur noch die schiere Verzweiflung die Weltwirtschaft am Laufen? ——–Ist die QE-Politik der EZB nur das Symptom eines Wirtschaftssystems, das längst die Bodenhaftung verloren hat?——-