FRANKFURT FINANCE SUMMIT 2015 - IM INTERVIEW: JOSÉ MANUEL GONZALEZ-PARAMO

"QE war der einzig verbliebene Weg"

Der frühere Notenbanker und heutige BBVA-Manager über den Kurs der EZB, Griechenland und die Aufsicht

"QE war der einzig verbliebene Weg"

– Herr González-Páramo, Sie waren bis 2012 Mitglied im EZB-Direktorium. Sind Sie froh, dass Sie das heute nicht mehr sind und so nicht über den groß angelegten Kauf von Staatsanleihen entscheiden mussten, oder würde es Sie reizen, aktuell noch mitzumischen?Die Jahre bei der EZB waren eine tolle Zeit, aber die ist vorbei. Aber ich verfolge die Politik der EZB immer noch genau und im Großen und Ganzen stimme ich mit dem überein, was die EZB tut.- Sie finden die Entscheidung für ein solches Programm des Quantitative Easing (QE) also richtig?Die Inflation im Euroraum ist zu niedrig. Nachdem die EZB vieles versucht hat, um die Blockade im Kreditkanal zu lösen und Preisstabilität zu sichern, war QE der einzig verbliebene Weg. Das Design des Programms ist größtenteils auch gelungen.- Größtenteils? Was stört Sie denn?Es gibt einen Aspekt in dem QE-Design, den ich nicht ganz teile, und das ist die Lösung zur Risikoteilung.- Also die Entscheidung, dass Verluste zu einem Großteil nicht im Eurosystem geteilt werden, sondern bei den nationalen Zentralbanken verbleiben – was vor allem auf Bedenken über eine Umverteilung von Risiken zwischen den Steuerzahlern zurückgeht.Ich verstehe das aus taktischen Gründen, um vielleicht Einwände zu beschwichtigen. Strategisch finde ich das aber sehr riskant. Es droht eine Fragmentierung der Geldpolitik. Es ist auch nicht sehr konsistent mit der Bankenunion.- Wie meinen Sie das genau?Mit der Bankenunion wird auf der einen Seite versucht, den Nexus zwischen den Banken und Staaten eines Landes zu durchbrechen. Auf der anderen Seite aber erneuert man ihn durch die Aufhebung der Verlustteilung. Das sollte die EZB in Betracht ziehen.- Einige Banken und andere Investoren haben angekündigt, keine Anleihen abzugeben. Wie groß ist die Gefahr, dass die EZB nicht genug Verkäufer findet?Ich denke nicht, dass es ein generelles Risiko für das Programm gibt. Für einige Banken mag es nicht attraktiv sein, Anleihen zu verkaufen. Für andere aber sehr wohl. Die EZB hat sich festgelegt, dass sie jeden Monat für 60 Mrd. Euro kaufen wird und ich bin absolut zuversichtlich, dass die EZB die technischen Lösungen finden wird, das zu erreichen. Am Ende ist alles eine Frage des Preises.- Besteht nicht die Gefahr, dass es zu neuen Preisblasen kommt?Ich sehe kein generelles Risiko exzessiv dynamischer Marktpreise in einzelnen Segmenten. Aber ich schließe nicht aus, dass es in manchen Bereichen Überschwang geben kann. Aber das ist dann eine Aufgabe für die makroprudenzielle Aufsicht, nicht für die Geldpolitik. Die Geldpolitik sollte wieder für Preisstabilität sorgen.- Derzeit ist Griechenland wieder in alle Munde. Die Banken halten sich nur über Wasser, weil die EZB großzügig Notfallliquidität ELA – Emergency Liquidity Assistance – gewährt. Aktuell sind das knapp 70 Mrd. Euro. Ist ELA in solchen Dimensionen noch angemessen?Im Moment, solange die Banken solvent sind, sollten sie weiter Unterstützung erhalten. Per Definition soll das aber nur eine vorübergehende Lösung sein. Dessen müssen sich beide Seiten – Griechenland und die Kreditgeber – bewusst sein.- Aber kann man überhaupt so strikt zwischen Liquiditäts- und Solvenzproblemen trennen?Die Krise hat gezeigt, wie schwierig es ist, die Grenze zwischen beidem zu ziehen. Aber wenn die EZB als Aufseherin sagt, dass die Banken alle Solvenzvorgaben erfüllen, haben diese Banken Zugang zu Notfallliquidität. Das ist die Vorbedingung, um temporär Liquidität bereitzustellen. Die Verantwortlichen in Athen sollten sich dennoch bewusst sein, dass sie sich so schnell wie möglich wieder am Markt finanzieren sollten. Dafür müssen sie einem Programm zustimmen, dass die griechische Wirtschaft wieder auf die Beine bringt.- Sie haben die neue Rolle der EZB als Aufsicht angesprochen. Wie beurteilen sie als Banker die ersten Monate unter EZB-Aufsicht?Die erste Bewertung ist sehr positiv. Die EZB hat aus dem Nichts eine schlagkräftige Institution geschaffen und die Bilanzprüfung der Banken gut gemeistert. Jetzt muss es darum gehen, dass die EZB die Banken besser kennenlernt. Sie muss die Führungsstrukturen und die Geschäftsmodelle verstehen. Eine andere große Herausforderung ist es, für eine stärker harmonisierte Aufsicht zu sorgen. Und die EZB sollte sich der globalen Präsenz von Banken wie der BBVA bewusst sein. Dafür sollte die EZB die neuen Aufsichtskollegien komplett an sich ziehen.- Einige Ihrer Kollegen, auch in Deutschland, stören sich an den EZB-Empfehlungen zu Dividenden oder an der Absicht, auch die Geschäftsmodelle unter die Lupe zu nehmen. Sie klagen, das sei nicht Aufgabe der Aufsicht.Es fiel schon immer in den Aufgabenbereich der Aufseher, den Banken Hinweise zu geben, wie sie ihre Solvenz erhalten. Die Dividendenpolitik ist Teil davon. Insofern stehen Empfehlungen zur Dividendenpolitik in Einklang damit, eine starke Eigenkapitalbasis zu erhalten. Was die Geschäftsmodelle betrifft, ist zu berücksichtigen, dass Solvenz etwas Dynamisches ist. Die Banken müssen die Aufseher überzeugen, dass sie ein Geschäftsmodell haben, das es ihnen erlaubt, auch in zwei, fünf oder zehn Jahren ihre Kapitalkosten zu decken und solvent zu sein. Ich kann an all dem wirklich nichts Ungewöhnliches erkennen.- Einige Beobachter befürchten durch die Niedrigzinspolitik der EZB, die QE zementiert, ein Bankensterben. Teilen Sie die Sorge?Die Profitabilität der Banken gerät ohne Frage weiter unter Druck. Banken mit einem großen Staatsanleiheportfolio können aber beispielsweise Papiere verkaufen und die Gewinne nutzen, um Kredite zu vergeben. Letztlich ist es ja genau das, was die EZB zu erreichen versucht: dass die Banken wieder ins Risiko gehen und bereit sind, die Nachfrage nach Krediten zu decken, solange die Kreditgeber solvent sind. Zudem sinken die Refinanzierungskosten. Die Gewissheit, sich am Markt finanzieren zu können, ist größer, und das ist gut für Banken.- Commerzbankchef Martin Blessing hat zuletzt kritisiert, dass einerseits die Regulierer und Aufseher die Banken drängen, Risiken abzubauen, andererseits die Notenbank aber darauf zielt, dass sie mehr Risiken eingehen. Er zeigte sich ratlos, was denn nun von den Banken verlangt werde.Ich kann die Aussagen verstehen. Es gibt keine vollständige Übereinstimmung zwischen dem, was sich auf Regulierungsseite getan hat, und dem, was die Notenbank von den Banken erwartet. Es ist ganz klar, dass es unbeabsichtigte Konsequenzen der Regulierung gibt, die im Konflikt stehen zu den Zielen der Geldpolitik. Es ist dringend nötig, dass Regulierer und Aufseher auf der einen und Notenbanker auf der anderen Seite ihre Ziele in Einklang bringen.—-Das Interview führte Mark Schrörs.