Sachverständigenrat

Qualität zählt bei Wirtschaftsweisen

Nach monatelangen Vakanzen ist der Rat der Wirtschaftsweisen bald wieder vollzählig. Die politisch provozierte Hängepartie hat das Gremium aber beschädigt.

Qualität zählt bei Wirtschaftsweisen

Wenn tatsächlich in jeder Krise eine Chance liegt, dann hat der Sachverständigenrat für Wirtschaft davon profitiert. Die neue Online-Arbeitsweise in der Corona-Pandemie macht es möglich, die renommierte Wirtschaftswissenschaftlerin Ulrike Malmendier in den Rat der fünf Wirtschaftsweisen zu berufen. Die deutsche Spitzenökonomin forscht in Berkeley in Kalifornien an der amerikanischen Westküste. Nur die Zeitverschiebung gilt es zu überwinden, wenn der Rat regelmäßig einmal im Monat – und in enger Taktung zur Vorbereitung des umfänglichen Jahresgutachtens im Herbst – zusammenkommt.

Mit der Besetzung Malmendiers ist auch endlich der Weg für den Bochumer Ökonomen Martin Werding frei, in den Sachverständigenrat einzuziehen. Werding hatten die Arbeitgeber schon im Mai vorgeschlagen. Doch es dauerte. Die Bundesregierung hatte die Nachbesetzung der beiden vakanten Posten verknüpft – wohl um einen ordnungspolitisch strikten Kurs zu verhindern. In der Vergangenheit war oft nur der Vertreter der Gewerkschaften mit abweichenden Minderheitsvoten aufgefallen. Die Mehrheit im Rat folgte aber einem Stabilitätskurs gegen die Wünsch-Dir-Was-Politik. Dies änderte sich mit der Viererbesetzung, nachdem Lars Feld ausgeschieden war. Es kam zu einem Patt zwischen dem auf dem Gewerkschaftsticket fahrenden Achim Truger mit Monika Schnitzer gegen den im April ausgeschiedenen Volker Wieland mit Veronika Grimm.

Mit der Suche nach einem genehmen Mitglied hat die Regierung die Hängepartie verlängert und das ohnehin stark angeschlagene Gremium weiter beschädigt. Seit rund eineinhalb Jahren ist es unterbesetzt. Dass die Patt-Situation die zeitaufwendige Arbeit in dem einst hoch angesehenen Rat nicht attraktiver macht, liegt auf der Hand. Zudem ließ die Bundesregierung die verbliebenen Mitglieder hängen: Sie mussten mehr Themen mit weniger Personen für das mehrere hundert Seiten starke Gutachten schultern. Dieser Umgang mit den Wissenschaftlern zeigt wenig Respekt. Kein Wunder, dass es reihenweise Absagen gehagelt haben soll. Immerhin hat die Bundesregierung mit den erstklassigen Neubesetzungen nun dem Versuch widerstanden, sich ein politisch bequemes Gremium zu formen.

Dass stringente Ökonomen dennoch Einfluss behalten, zeigt Lars Feld. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) machte den früheren Vorsitzenden des Sachverständigenrats zu seinem externen Chefökonomen – und setzt weiterhin auf ordnungspolitische Expertise.

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