Ratingagenturen liegen auf der Lauer

Vorsichtige Signale vor Italien-Rating - Drohung mit Abwertung bleibt - Regulierer agiert im Hintergrund

Ratingagenturen liegen auf der Lauer

Die Bekämpfung der Coronafolgen wird die Schuldenberge der Staaten anschwellen lassen. Nicht zuletzt in Italien, dessen Verschuldung von den Ratingagenturen schon zuvor kritisch gesehen wurde. Noch geben sich die Agenturen zurückhaltend, aber die Feuerprobe erfolgt in den kommenden Wochen.Von Archibald Preuschat, FrankfurtRund um den Globus nehmen Regierungen tausende von Milliarden Euro in die Hand, um die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Pandemie abzufedern. Das wird die Schuldenstände, die sich schon jetzt auf hohem Niveau befinden, auf neue Höchststände treiben. Ein Prozess, den die Ratingagenturen genau überwachen werden. Richtung Eurozone senden die Bonitätswächter aber noch entspannende Signale. Das mag auch daran liegen, dass die Agenturen in der Europäischen Union jetzt stärker überwacht werden. Die Feuerprobe steht aber noch bevor: In den nächsten Wochen werden Ratingagenturen die Bonität von gefährdeten Staaten der Eurozone untersuchen – allen voran: Italien. Regulierer auf dem PlanEin Blick zurück in die griechische Staatsschuldenkrise vor exakt zehn Jahren: Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) rangen mit der griechischen Regierung, um den Staatsbankrott des Eurozonen-Mitglieds abzuwenden. Mittendrin senkte die US-Ratingagentur Moody’s die Bonität Griechenlands – nicht nur um eine, sondern gleich um vier Stufen von “A3” auf “Ba1” – das ist Ramschstatus, solchermaßen bewertete Anleihen gelten als nicht mehr ausfallsicher. Bereits im April 2010 hatte Standard & Poor’s (S&P), der Marktführer unter den allesamt in den USA beheimateten Ratingagenturen, Griechenlands Staatsanleihen als nicht mehr ausfallsicher bezeichnet.Dass die Ratingagenturen inmitten der Versuche, Griechenland vor dem Staatsbankrott zu bewahren, mit ihren Abstufungen Öl ins Feuer gossen, kam in der europäischen Politik nicht gut an. Es war die Geburtsstunde der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Anfang 2011 ihre Arbeit aufnahm. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, Ratingagenturen zu beaufsichtigen. Dies geschieht üblicherweise im Hintergrund. Umso mehr lässt nun ein öffentliches Statement des ESMA-Leiters Steven Maijoor kurz vor Ostern aufhorchen: “Das Timing von Rating-Schritten muss sorgfältig austariert werden”, forderte er und kündigte eine “verstärkte Kommunikation” mit den Ratingagenturen an. Wie diese aussieht, dazu wollte sich ein Sprecher der ESMA auf Anfrage nicht äußern.Rein auf dem Papier ist die Lage heute zumindest ebenso brisant wie vor einem Jahrzehnt, nur dass diesmal Italien im Fokus steht. Der Wille der drittgrößten Volkswirtschaft der Eurozone, ihren Schuldenberg abzubauen, wurde von den Ratingagenturen schon vor der Corona-Pandemie mit Argusaugen beobachtet. Messbare Ergebnisse zumindest kann das Land nicht vorweisen. Schon 2019 war Italien mit 134,8 % seiner Wirtschaftsleistung verschuldet und dieses Verhältnis von Staatsschulden zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird nach der jüngsten Schätzung des IWF ob der Aufwendungen für die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie auf 155,5 % wachsen. Steigende VerschuldungÜberhaupt hat – mit Ausnahme von Deutschland – kein großes EU-Land die Hochkonjunktur nach der Eurokrise dazu genutzt, den Schuldenberg zu reduzieren. So wird nach IWF-Prognosen auch die Verschuldung von Frankreich und Spanien im laufenden Jahr 100 % des BIP mehr oder weniger deutlich überschreiten (siehe Grafik).Am kommenden Freitag steht bei S&P die Überprüfung der Kreditwürdigkeit Italiens (wie auch Griechenlands und der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität) an. Zwei Wochen später, am 8. Mai, gibt Moody’s ihre Entscheidung über Italiens Kreditwürdigkeit bekannt. Moody’s ordnet Italien derzeit nur noch eine Stufe über dem Ramschstatus ein. Bei S&P und Fitch trennen Italien noch zwei Stufen von einer nicht mehr ausfallsicheren Bewertung.Trotz der Corona-Pandemie sieht S&P laut einem Report aus der vergangenen Woche die Gefahr einer europäischen Staatsschuldenkrise aber als “gering” an. Auch findet der Marktführer unter den Ratingagenturen durchaus lobende Worte für die fiskalischen Maßnahmen, die die Länder zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen von Corona ergriffen haben. So hält S&P es für gerechtfertigt, dass die Staaten der Eurozone “fiskalischen Stimulus von 7 % des Bruttoinlandsprodukts in Italien bis zu 32 % des BIP in Deutschland” bereitstellen. “Die Kosten dieser Intervention in Form einer steigenden Staatsverschuldung werden hoch sein, aber die offensichtliche Alternative ist ein schwerer langfristiger Schaden für ihre Volkswirtschaften”, heißt es in dem Report.Auch Moody’s gibt sich noch vorsichtig optimistisch, was den Druck auf Ratings angeht. Staatsanleihen seien per se widerstandsfähiger als etwa Anleihen, die von Unternehmen begeben werden. “Gleichwohl, ein Versagen bei der Eindämmung der Ausbreitung des Virus in den kommenden Monaten und einem längeren Zeitraum erheblicher wirtschaftlicher Störung würde das Kreditprofil einiger Staaten wahrscheinlich unter Druck setzen”, warnt die US-Ratingagentur in einem Report über die Widerstandsfähigkeit der Eurozone.Auch Fitch sieht wegen der Corona-Pandemie eher die Schwellenländer, schwerpunktmäßig in Lateinamerika, unter Druck, als denn Staaten in Europa. James McCormack, Head of Sovereigns, weist gleichwohl auch darauf hin, dass Fitch im Lichte der Pandemie den Ausblick des “BBB”-Ratings des Euro-Beitrittskandidaten Kroatien von “positiv” auf “stabil” gesenkt hat.Einiges deutet darauf hin, dass die drei großen Ratingagenturen in der Eurozone zurückhaltender handeln als noch vor zehn Jahren. Den Willen, auch Politik machen zu wollen, hat ihnen aber auch die Regulierung durch die ESMA nicht genommen. So schreibt S&P: “Eine starke wirtschaftliche Erholung und eine effektive Antwort der Politik im Bereich der Risikoteilung oder andere Alternativen würden unter unserer Bonitätsmethodik den Ratings von Staaten innerhalb der Wirtschafts- und Währungsunion wahrscheinlich zugutekommen.” Risikoteilung in der EurozoneDie Worte Euro-Bonds oder Corona-Bonds fallen in dem Report nicht. In der erhitzten Diskussion zwischen den Befürwortern Italien, Spanien und Frankreich und den Gegnern Deutschland und Niederlande spielt der Marktführer der Bonitätswächter gleichwohl seine Macht aus, wenn er dann doch andeutet, dass die Bewertungen der Staaten der Eurozone “in den nächsten Jahren” weiter gesenkt werden könnten. Dabei schaut S&P auf die “individuellen Umstände der Mitgliedstaaten” und darauf, welche Folgen das Coronavirus mittelfristig großen Wirtschaftssektoren wie Tourismus, Transport und Produktion auferlegt.