LEITARTIKEL

Ratlos in Washington

Offiziell hat es nicht einmal auf der Tagesordnung gestanden - und doch hat das Thema Griechenland das Treffen der G 20-Finanzminister und -Notenbankchefs sowie die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Wochenende in Washington...

Ratlos in Washington

Offiziell hat es nicht einmal auf der Tagesordnung gestanden – und doch hat das Thema Griechenland das Treffen der G 20-Finanzminister und -Notenbankchefs sowie die Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) am Wochenende in Washington überschattet. Bei allem Frust, den nicht nur die Euro-Partner wegen Athens Schlingerkurs schieben, sondern auch viele im Rest der Welt wegen der Dauer-Nabelschau Europas – das wäre noch erträglich, wenn es wenigstens konkrete Fortschritte gäbe. Leider aber ist das Gegenteil der Fall: Wo guter Rat teuer wäre, herrscht vielfach nur noch blanke Ratlosigkeit.Für die nächsten Wochen lässt das nichts Gutes hoffen – angefangen mit dem Treffen der Euro-Finanzminister am Freitag. Dabei ist es allerhöchste Zeit für eine Lösung: weil sonst eine wirkliche griechische Tragödie droht. Aber auch, weil die Weltwirtschaft und das Finanzsystem noch vor anderen großen Herausforderungen stehen, denen es sich zu stellen gilt. Sicher, es besteht da kein Grund für Untergangsszenarien. Es sollte aber nur auch niemand so tun, als sei abseits von Griechenland alles in bester Ordnung.Was Griechenland angeht: Die Regierung in Athen, voran der irrlichternde Finanzminister Giannis Varoufakis, muss endlich ihr Paralleluniversum verlassen und in der Realität ankommen. In einer Mischung aus Unerfahrenheit und Unfähigkeit hat sie nicht nur fast alle Partner vergrätzt, sondern sämtliche Hoffnungsschimmer verdunkelt und das Land erneut an den (wirtschaftlichen) Abgrund gebracht. Macht sie so weiter und steuert das Land Richtung Staatspleite sowie Euro-Aus, wird Griechenland genau jene humanitäre Katastrophe erleiden, die Varoufakis & Co. fürchten.Aber auch die Eurozone und Europa blieben kaum ohne Schaden. Keine Frage, die Währungsunion ist mit dem Rettungsfonds ESM, aber auch dank der diversen EZB-Instrumente besser gewappnet als 2010 oder 2012. Aber wenn nun Verantwortliche gebetsmühlenartig erklären, ein solches Szenario sei deshalb verkraftbar, weckt das Erinnerungen an 2008: Hatten vor der Pleite von Lehman Brothers nicht auch alle beteuert, es sei alles beherrschbar? Ganz so schlimm wie damals würde es heute wohl – oder besser: hoffentlich nicht kommen. Aber es ist illusorisch zu glauben, es ließe sich alles durchkalkulieren und kontrollieren. Dafür ist schon das Prozedere bei einem Euro-Aus viel zu unklar. Der (geo-)politische Schaden für Europa wäre aber in jedem Fall immens.Die Euro-Akteure stecken aber im Dilemma: Denn schweren Schaden kann es auch anrichten, wenn ein Land dauerhaft Regeln ignoriert und Vereinbarungen bricht. Sie müssen hoffen, dass Athen zur Besinnung kommt. Ein erster Schritt wäre es, wenn Varoufakis weniger Zeit auf Interviews und mehr auf die technische Kärrnerarbeit verwendete. Am Ende aber führt kein Weg daran vorbei: Griechenland muss weitere harte Entscheidungen treffen – bei Steuern, Bürokratie, Arbeitsmarkt.Eine Lösung ist umso dringlicher, um den Fokus auf weitere, globale Herausforderungen zu richten. Da ist der beispiellose asynchrone Kurs der führenden Notenbanken: Dieser kann noch zu heftigen Verschiebungen im Wechselkursgefüge und bei den Kapitalflüssen führen. Der Weg dürfte sich als holprig erweisen. Da ist die Wachstumsverlangsamung in den Schwellenländern: Diese ist vor allem im Fall Chinas zu begrüßen, wenn das Wachstum so nachhaltiger wird. Die Weltwirtschaft muss dann aber neue Wachstumsmotoren finden. Schließlich sind da die geopolitischen Konflikte: Krisen wie jene in der Ukraine sind teils in den Hintergrund geraten. Ihre potenziellen Folgen bleiben aber gewaltig.Und das sind “nur” die imminenten Aufgaben. Ein langfristiges Problem ist die nach wie vor hohe Verschuldung, von Staaten wie Privaten. Diese wirkt wie ein Bremsklotz für das Wachstum. So viele Diskussionen es darüber gibt, wie der Aufbau exzessiver Verschuldung in der Zukunft verhindert werden soll, so wenige Ansätze gibt es, von den aktuellen Niveaus herunterzukommen. Zudem bleibt die Frage der Alterung vieler Gesellschaften, vor allem in den Industrieländern. Viele haben darauf bislang keine überzeugenden Antworten.Noch einmal: Zur Schwarzmalerei besteht kein Anlass. Die kurzfristigen Aussichten für die Weltwirtschaft sind aktuell vielleicht so gut wie in den sechseinhalb Jahren seit der Lehman-Pleite nicht. Das aber darf nicht den Blick auf die Risiken und vor allem nicht auf die ungelösten Aufgaben verstellen. Und auch deshalb muss schnellstmöglich eine Lösung im Athener Schuldendrama her. Griechenland ist nicht der Nabel der Welt.——–Von Mark SchrörsDie Griechenland-Krise hat die Treffen der Finanzelite in Washington überschattet. Es braucht dringend Lösungen – auch weil ganz andere Aufgaben dräuen.——-