LEITARTIKEL

Raus - jetzt!

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein Problem: Just jetzt, da der EZB-Rat das Ende der umstrittenen Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) ins Visier genommen hat und damit einen Meilenstein beim Ausstieg aus dem geldpolitischen Großexperiment...

Raus - jetzt!

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat ein Problem: Just jetzt, da der EZB-Rat das Ende der umstrittenen Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) ins Visier genommen hat und damit einen Meilenstein beim Ausstieg aus dem geldpolitischen Großexperiment der Krisenjahre ansteuert, schwächelt die Euro-Wirtschaft und nehmen die Risiken für den Wachstums- und Inflationsausblick zu. Die Euro-Hüter sollten sich jetzt aber nicht von der vielerorts grassierenden Aufgeregtheit anstecken lassen und keinesfalls am avisierten QE-Ende rütteln. Die zumal vorsichtige Normalisierung der Geldpolitik ist absolut richtig und überfällig – und ein Zurückschrecken wäre womöglich ein fatales Signal.Natürlich kommt die Konjunkturabschwächung für die EZB zur Unzeit. In gewisser Weise zahlt sie nun auch den Preis dafür, dass sie das QE-Ende immer weiter hinausgezögert hat. Die Euro-Wirtschaft wächst aber immer noch mit einer jährlichen Rate von rund 2 %. Das ist für europäische Standards aller Ehren wert. Die Inflation scheint ebenfalls auf Kurs Richtung 2 %. Richtig ist zwar auch, dass die Risiken zugenommen haben. Aber die Lage birgt auch Chancen. Beispiel Brexit: Ein harter Brexit dürfte auch die Euro-Wirtschaft hart treffen. Eine gütliche Einigung aber könnte die Stimmung und die Investitionsbereitschaft wieder befeuern. Beispiel Handelsstreit: Ein ausgewachsener globaler Handelskrieg dürfte ohne Frage unkalkulierbare Folgen haben. Wenn der Konflikt aber auf die USA und China beschränkt bleibt, könnten sich viele aktuelle Ängste verflüchtigen. Kurzum: Defätistische Schwarzmalerei ist aktuell vollkommen fehl am Platz.Natürlich spielt den Euro-Hütern auch nicht gerade in die Karten, dass die Nervosität und die Volatilität an den Finanzmärkten zugenommen hat. Aber es wäre vollkommen weltfremd, zu glauben, dass der Ausstieg aus der so lange so lockeren Geldpolitik weltweit ganz ohne Turbulenzen vonstattengehen könnte! Dass der US-Notenbank Fed nach anfänglichen Patzern der Ausstieg recht geschmeidig gelungen ist, hat sie auch der Tatsache zu verdanken, dass gleichzeitig die EZB und die Bank of Japan die Märkte weiter munter mit Geld geflutet haben. Erst jetzt steht der wahre Lackmustest an. Der Übergang zu einer normale(re)n Geldpolitik wird sicher komplex und holprig. Die Währungshüter – auch in der EZB – dürfen da nicht gleich in Panik verfallen, wenn es an den Märkten einmal unruhiger wird, und nicht immer gleich intervenieren wollen. Ein solcher “ECB Put” wäre das völlig falsche Signal.Schlichtweg fatal wäre das Signal sogar, wenn die EZB mit Blick auf die politische Großwetterlage in Italien und den Budgetstreit zwischen Rom und der EU vom eingeschlagenen Kurs abweichen würde. Mit dem Versprechen aus dem Jahr 2012, alles Nötige zum Erhalt des Euro zu tun, haben EZB-Präsident Mario Draghi & Co. zur Beruhigung der Euro-Schuldenkrise beigetragen. Sie haben zugleich aber ein gewaltiges Moral-Hazard-Problem geschaffen. Bester Beleg war der jüngste, komplett irrlichternde Vorschlag aus Rom, die EZB solle doch bitte dauerhaft sicherstellen, dass die Renditeabstände von Staatsanleihen der Euro-Länder begrenzt werden. Genau wie die EZB nicht die chronische Wachstumsschwäche und hartnäckige Reformunwilligkeit Italiens kompensieren kann und darf, kann und darf sie auch den neuen finanzpolitischen Leichtsinn Roms nicht alimentieren. Mehr noch: Es kann und darf nicht Aufgabe der EZB sein, ein Land, das bewusst oder fahrlässig sogar die Mitgliedschaft im Euro-Club aufs Spiel setzt, mit allen Mitteln zu halten.Keine Frage: Der Euroraum braucht auf absehbare Zeit eine expansive Geldpolitik. Es geht aber aktuell auch gar nicht darum, den Schalter von expansiv auf restriktiv umzulegen. Es geht vielmehr darum, allmählich auszusteigen. Das allerdings ist dringend geboten – gerade auch, um eine plötzliche und drastische Kehrtwende in der Zukunft zu vermeiden. Es gilt zudem, die Risiken der ultralockeren Geldpolitik für Wirtschaft und Finanzstabilität einzudämmen – Stichwort: Zombie-Firmen und Zombie-Banken. Die EZB ist zudem gut beraten, zu versuchen, sich wieder geldpolitischen Handlungsspielraum aufzubauen. Dabei geht es nicht um eine Straffung um der Straffung willen, aber darum, die guten Zeiten zu nutzen – so wie die EZB es den Finanzministern stets predigt. Und schließlich ist es nötig, dass sich die EZB allmählich aus der Umklammerung der Fiskalpolitik löst – bevor sie vollends im Regime der “fiskalischen Dominanz” gefangen ist. Das wäre für die Unabhängigkeit der EZB und das Vertrauen in den Euro viel gefährlicher als jedes Präsidenten-Gebrüll für die US-Notenbank.—–Von Mark SchrörsHandelsstreit, Brexit, Italien – die Lage für die EZB wird ungemütlicher. Sie darf aber nicht am avisierten Ende der QE-Käufe rütteln. Das wäre fatal.—–