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Rebellin wider Willen

Von Andreas Hippin, London Börsen-Zeitung, 26.2.2019 Die Wandlung von Amber Rudd (55) von der treuen Parteisoldatin zur Rebellin zeigt, wie stark die Zentrifugalkräfte in der britischen Politik geworden sind. Die Arbeits- und Rentenministerin war...

Rebellin wider Willen

Von Andreas Hippin, LondonDie Wandlung von Amber Rudd (55) von der treuen Parteisoldatin zur Rebellin zeigt, wie stark die Zentrifugalkräfte in der britischen Politik geworden sind. Die Arbeits- und Rentenministerin war zuletzt gezwungen, sich mit Behauptungen auseinanderzusetzen, sie habe Anna Soubry Hinweise darauf gegeben, wie sich der EU-Austritt Britanniens blockieren lasse. Soubry hatte die Tory-Fraktion zusammen mit Heidi Allen und Sarah Wollaston aus Protest gegen die Brexit-Politik der Regierung verlassen. Zuvor hatte sich Rudd zusammen mit Wirtschaftsminister Greg Clark und Justizminister David Gauke in einem Gastbeitrag für die “Daily Mail” für eine Verlängerung der Austrittsfrist nach Artikel 50 ausgesprochen. “Unsere Hoffnung ist, dass das Parlament erkennt, dass wir die EU am 29. März mit einem Deal verlassen sollen”, heißt es dort. “Sollte es jedoch in der kommenden Woche zu keinem Durchbruch kommen, ist die Mehrheitsmeinung im Parlament klar: dass es besser wäre, eine Verlängerung der Frist nach Artikel 50 anzustreben und das Datum unseres Austritts zu verschieben, als am 29. März aus der Europäischen Union herauszubrechen.” Sie stellte sich damit gegen Regierungschefin Theresa May, die bislang eisern am 29. März als Austrittstermin festhält. Die Premierministerin kam Forderungen von Brexiteers, die rebellischen Minister zu entlassen, bislang nicht nach.Rudd wurde zeitweise als mögliche Nachfolgerin für Schatzkanzler Philip Hammond gehandelt, der wiederholt mit May aneinandergeraten war. Sie hatte May in einer BBC-Fernsehdebatte vor der Wahl 2017 vertreten, obwohl ihr Vater zwei Tage zuvor gestorben war. Nach dem Massaker, das ein islamistischer Terrorist auf einem Popkonzert in Manchester angerichtet hatte, trat sie als erste Vertreterin der Regierung an die Öffentlichkeit. Ende April vergangenen Jahres legte sie ihr Amt als Innenministerin nieder, nachdem sie sich im Windrush-Skandal in Widersprüche verwickelt hatte. Es ging dabei um Einwanderer aus der Karibik, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Großbritannien kamen und Opfer der Versuche des Home Office wurden, illegale Zuwanderer ausfindig zu machen. Viele Regierungen hatten Anteil daran, dass die Betroffenen nicht über Papiere verfügten, die es ihnen erspart hätten, nicht mehr einreisen zu dürfen oder für Behandlungen des Gesundheitssystems NHS zur Kasse gebeten zu werden. Aber vor allem die Bemühungen von Rudds Amtsvorgängerin May, ein feindliches Klima für Illegale zu schaffen, trugen dazu bei, dass man diese Menschen, die sich zwar völlig rechtmäßig im Land befanden, das aber oft nicht belegen konnten, von Amts wegen schikanierte. Rudd hatte geleugnet, dass es Ziele für die Ausweisung von Illegalen gegeben hatte, obwohl sie darüber informiert war. Im November wurde sie von May zurück ins Kabinett geholt.Ihr Vater Tony Rudd war ein über die City hinaus bekannter Broker. Ambers Karriere begann nach dem Abschluss in Geschichte an der University of Edinburgh bei der Investmentbank J.P. Morgan. Über ihre Mutter Ethne Fitzgerald gehört sie zu den Nachfahren von König Charles II. (1630 bis 1685) und seiner Mätresse Barbara Palmer. Ihr Bruder Roland Rudd gründete die PR-Firma Finsbury, die 2001 von WPP übernommen wurde. Er gilt als Gefolgsmann Tony Blairs. Dessen Sohn Euan machte bei ihm ein Praktikum. Roland fungiert als Chairman der Kampagne “People’s Vote”, die sich für ein erneutes EU-Referendum einsetzt.