DSGVO

"Reförmchen" für Europas Datenschutzverfahren

Die EU-Kommission will die DSGVO punktuell nachbessern. Der Digitalverband Bitkom dringt auf mehr. Eine dringliche Übereinkunft zum Datenaustausch mit den USA kommt laut EU-Justizkommissar Reynders voran.

"Reförmchen" für Europas Datenschutzverfahren

“Reförmchen” für Datenschutzverfahren

EU-Kommission will DSGVO punktuell nachbessern – Digitalverband Bitkom dringt auf mehr

rec Brüssel

Die Datenschutzgrundverordnung verunsichert viele Unternehmen. Nun stößt die EU-Kommission eine Mini-Reform an, um die Zusammenarbeit der nationalen Behörden zu verbessern. Justizkommissar Didier Reynders zufolge kommt außerdem eine dringliche Übereinkunft mit den USA zum Datenaustausch voran.

Die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) benötigt nach Ansicht der EU-Kommission ein Update. Sie strebt eine bessere Zusammenarbeit der nationalen Datenschutzbehörden an. Dafür hat sie ein neues Gesetz vorgelegt, mit dem sich nun die EU-Staaten und das Europaparlament befassen müssen.

Seit fünf Jahren greift in der Europäischen Union die DSGVO. In Hunderten Fällen haben Datenschutzbehörden aufgrund von Verstößen Bußgelder gegen Unternehmen verhängt. Das verunsichert nicht wenige Firmen – auch weil die Behörden grenzüberschreitende Fällen mitunter verschieden bewerten.

Damit das künftig seltener vorkommt, schlägt die EU-Kommission vor, die Verfahren abzukürzen beziehungsweise zu beschleunigen. Die federführende Behörde soll Kollegen aus anderen Ländern frühzeitig einbeziehen. In großen DSGVO-Streitfällen mit Beteiligung von US-Konzernen ist das nicht selten die irische Datenschutzbehörde, weil in Dublin die Europa-Zentralen von Meta (Facebook, Whatsapp) und Google sind.

Ziel sei eine schnellere und bessere Bearbeitung komplexer Fälle, sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders. Es gehe darum, “das Recht der Europäerinnen und Europäer auf Privatsphäre besser zu schützen, Rechtssicherheit für Unternehmen zu schaffen und die Zusammenarbeit zwischen den Datenschutzbehörden vor Ort zu erleichtern”, so Reynders. In gewisser Weise greift Reynders damit einer grundsätzlichen Bestandsaufnahme zur Datenschutzgrundverordnung vor, die bis Mai 2024 ansteht.

“Auslegungswirrwarr”

„Die deutsche Digitalwirtschaft begrüßt die Initiative der EU-Kommission, die grenzüberschreitende Durchsetzung der Datenschutzgrundverordnung zu vereinfachen und zu harmonisieren”, sagte Susanne Dehmel vom Branchenverband Bitkom. “Allerdings wurde die Chance nicht genutzt, längst bekannte gravierende Probleme zu beheben.” Ähnlich urteilt CDU-Politiker Axel Voss: Der rechtspolitische Sprecher der EVP-Fraktion lobte den Vorstoß grundsätzlich, warnt aber vor der Annahme, dass mit diesem “Reförmchen” alle Probleme der DSGVO gelöst wären.

| Quelle:

Konkret stößt sich der Digitalverband Bitkom am “Auslegungswirrwarr”. Das sorge für Rechtsunsicherheit. Die Folge: Standortnachteile und Wettbewerbsverzerrungen für Mittelständler. In Deutschland zögerten 62% der Unternehmen bei der Datennutzung, weil sie Angst hätten, gegen den Datenschutz zu verstoßen, heißt es mit Verweis auf eine Bitkom-Studie aus dem Mai (siehe Grafik). “60% haben schon einmal Pläne für Innovationen gestoppt, weil datenschutzrechtliche Vorgaben oder Unsicherheiten sie dazu gezwungen haben”, sagte Dehmel.

EU-Beamte betonen, dass die Reform insbesondere auf zwei Fortschritte abzielt. Beteiligte Behörden sind angehalten, frühzeitig ihre Standpunkte zu klären, um Dissens im Keim zu ersticken. In Streitfällen soll der Europäische Datenschutzausschuss ein Machtwort sprechen. Das ginge zulasten der nationalen Behörden und könnte deshalb Widerspruch aus EU-Staaten heraufbeschwören. Außerdem sollen alle Beteiligten, so das zweite wesentliche Ansinnen, Gehör finden, bevor eine Entscheidung im Entwurf vorliegt.

Der CDU-Europaabgeordnete Voss gibt zu bedenken, dass sich die Mängel der DSGVO nicht auf grenzüberschreitende Verfahren beschränkten. Er fordert eine Gesamtmodernisierung mit Blick auf Blockchain, Cloudlösungen und künstliche Intelligenz. “Der vielfach beschworene Goldstandard erdrückt uns wettbewerblich”, sagte Voss. “Die Überprüfung der DSGVO nächstes Jahr muss deshalb zu einer echten Reform führen, wenn wir in einer datengetriebenen Welt überhaupt noch eine Rolle spielen wollen.”

Bewegung mit USA

Große Sorgen bereitet Unternehmen der Datenaustausch mit den USA. Grund sind unterschiedliche Standards im Datenschutz. Schlimmstenfalls drohen Unterbrechungen, mit unabsehbaren Folgen für Kunden und Nutzer. Justizkommissar Reynders zufolge kommen die USA mit Gesetzesänderungen voran. Auch in Brüssel gebe es Fortschritte mit Blick auf eine transatlantische Übereinkunft für den Datenverkehr. Er hoffe auf einen Abschluss in diesem Monat, so Reynders.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.