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Reformerin Yuriko Koike einigt Japans Opposition

Von Martin Fritz, Tokio Börsen-Zeitung, 30.9.2017 Die Gouverneurin von Tokio, die 65-jährige Yuriko Koike, macht die vorgezogene Neuwahl in Japan unerwartet spannend. Binnen weniger Tage einte sie mit ihrer neuen "Hoffnungspartei" die bislang...

Reformerin Yuriko Koike einigt Japans Opposition

Von Martin Fritz, TokioDie Gouverneurin von Tokio, die 65-jährige Yuriko Koike, macht die vorgezogene Neuwahl in Japan unerwartet spannend. Binnen weniger Tage einte sie mit ihrer neuen “Hoffnungspartei” die bislang zerstrittene Opposition und ist plötzlich eine ernsthafte Gefahr für Premierminister Shinzo Abe. Der 63-jährige Nationalist hatte die politische Bühne seit Ende 2012 praktisch für sich allein, da die Koalition aus seinen Liberaldemokraten (LDP) und der buddhistischen Komei-Partei mit ihrer Zweidrittelmehrheit das Parlament dominierte.Dies lag vor allem an der enormen Schwäche der Demokratischen Partei (DP). Ihre Regierungsjahre zwischen 2009 und 2012 waren so chaotisch verlaufen, dass die Japaner der Opposition keine neue Chance mehr geben wollten. Nun nutzte ihr neu gewählter Vorsitzender, Seiji Maehara, die Gründung der Hoffnungspartei für einen eleganten Rückzug. Die DP tritt zur Neuwahl erst gar nicht mehr an und erlaubt ihren 88 Abgeordneten, für die Hoffnungspartei zu kandidieren. Die Erneuerungspartei des Gouverneurs von Osaka, Ichiro Matsui, stellte sich ebenfalls hinter Koike. Diese größte Neuformation der politischen Kräfte in Japan seit 15 Jahren ist eine Folge der Niederlage der Abe-LDP bei der Kommunalwahl in Tokio Anfang Juli, als der Vorläufer der Koike-Partei die Mehrheit des Lokalparlaments eroberte. Erste Frau an Japans Spitze?Schon lange wird Koike der Ehrgeiz nachgesagt, die erste Frau an Japans Spitze werden zu wollen. Die frühere TV-Journalistin spricht fließend Englisch und Arabisch und strahlt einen kosmopolitischen Geist aus. Ihr Machtinstinkt ist ausgeprägt: Oft suchte sie die Nähe zu starken Politikern und bewies Gespür für das richtige Timing. Als Umweltministerin erfand sie 2005 eine Energiespar-Kampagne. Seitdem tragen die Japaner im heißen Sommer keine Krawatten mehr. Im ersten Abe-Kabinett 2007 war sie Japans erste Verteidigungsministerin. Jedoch scheiterte 2008 ihr Versuch, Vorsitzende der LDP zu werden, obwohl sie sich über die Mitgliedschaft in dem nationalistischen Verein Nippon Kaigi als Konservative profiliert hatte. Erst 2016 wagte sie sich wieder aus der Deckung und brüskierte ihre Partei, indem sie als Unabhängige die Wahl zur Gouverneurin von Tokio gewann. Der erste Wahlspot ihrer Hoffnungspartei beginnt mit der Ansage “Tschüss, Insider-Politik” und zeigt eine Frau im Blazer, die souverän an alten Männern mit Zigarette vorbeiläuft. Es folgt der Slogan: “Wollen wir das so lassen oder es zusammen ändern?” Die Schriftzeichen ihrer Partei der Hoffnung sind grün gefärbt. Koike ist für einen Ausstieg aus der Atomkraft, gegen eine höhere Mehrwertsteuer und gegen eine rein antipazifistische Verfassungsreform. Diese Botschaft von “grün und sauber” dürfte bei vielen konservativen bisherigen Abe-Wählern am 22. Oktober gut ankommen.Allerdings hat Koike den letzten Schritt bislang noch nicht gewagt. Bisher will sie Gouverneurin von Tokio bleiben und nicht selbst für das Parlament kandidieren. Aber dann wiederum könnte sie nicht Premierministerin werden. Doch insgeheim rechnen viele ihrer Anhänger damit, dass sie ihren Hut noch rechtzeitig in den Ring werfen wird, falls sich die Aussichten auf ihren Sieg mehren.