"Rezept für ein Desaster"

UBS-Chef Weber und Bundesbankpräsident Weidmann warnen die EZB vor Überforderung

"Rezept für ein Desaster"

Von Stephan Lorz, FrankfurtBundesbankpräsident Jens Weidmann und sein Vorgänger Axel Weber, Verwaltungsratspräsident der Schweizer UBS, haben eindringlich vor einem zu langen Festhalten an der unkonventionellen Geldpolitik gewarnt. Weidmann verwies in seiner Rede anlässlich eines Symposiums zum 60-jährigen Bestehen der Bundesbank auf den zunehmenden politischen Druck, dem sich die Europäische Zentralbank (EZB) damit aussetzt. Weil die Wertpapierkäufe im Rahmen der unkonventionellen Maßnahmen vor allem die staatlichen Verschuldungskosten senkten, könne das dazu führen, dass die extrem lockere Geldpolitik länger als geboten beibehalten werde.In diesem Zusammenhang warnte er auch vor der Einführung von “European Safe Bonds”, die in einem Reformpaket von der EU-Kommission vorgeschlagen worden waren. Sie sollen Brüssel zufolge die Bewältigung künftiger Krisen erleichtern und von einer europäischen Institution unter gemeinschaftlicher Haftung emittiert werden. Marktteilnehmer betonen, dass sich deren stabilisierende Wirkung aber nur durch die Mithaftung Deutschlands entfalten würde. Weidmann sieht deshalb darin eine Vorstufe für Euroland-Bonds. Das könne als Schritt zur Vergemeinschaftung der Staatsverschuldung in der Eurozone gesehen werden, sagte er. Um diesen Eindruck zu vermeiden, müssten diese Bonds schon “von Marktteilnehmern selber konstruiert werden”.Auch UBS-Chef Weber sprach sich für einen zügigen Exit der EZB aus der unkonventionellen Geldpolitik aus (“Ich denke, es ist Zeit für den Ausstieg.”) und geißelte die Allzuständigkeitsattitüde vieler Notenbanker. Mit der Notenbankbilanz nicht nur die Preisstabilität wahren, sondern auch das Wirtschaftswachstum nachhaltig ankurbeln zu wollen sei “kein Erfolgsrezept, sondern das Rezept für ein Desaster”, warnte er. Nach seiner Ansicht haben sich die Märkte schon längst auf eine geldpolitische Dauerfürsorge eingestellt, weil die politischen Unsicherheiten nicht mehr richtig bepreist würden. Entsprechende Indikatoren würden im Vergleich zur Vergangenheit gar nicht mehr beachtet.Sowohl die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, als auch der Generalmanager der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ), Jaime Caruana, kritisierten, dass die Notenbanken bei der Bewältigung der Krise und der Stabilisierung der konjunkturellen Erholung von der Politik im Stich gelassen worden seien. Die Politik verlasse sich zu sehr darauf, dass die Notenbanken agieren, klagte Lagarde: “Die Notenbanken haben die heiße Kartoffel von der Politik bekommen, könnten sie nun aber nicht mehr weitergeben.” Caruana gestand zu, dass die Politik zwar einige Reformen durchgeführt hat, nun aber “Reformmüdigkeit” Einzug gehalten habe. Caruana: “Wir haben von der Politik ein paar Sprints gesehen, aber wir befinden uns in einem Marathon.”Sorge bereitet vielen Teilnehmern der Bundesbankveranstaltung die Folgen der zunehmenden Ungleichheit in den Gesellschaften. “Wir haben das Problem unterschätzt”, gestand Lagarde. Zumal die Ungleichheit auch eine negative Wirkung auf das Wirtschaftswachstum habe. Durch eine Reihe von technologischen Durchbrüchen könnte sich das Problem in nächster Zeit sogar noch verstärken, warnte sie und erwartet “große gesellschaftliche Erschütterungen – mehr Populismus, mehr Frustration, mehr Arbeitslosigkeit”. Auch die Notenbanken müssten vorsichtiger agieren und stärker auf die Verteilungswirkung ihrer Geldpolitik achten, forderte sie.Auf den Märkten, in den Notenbanken und in der Politik habe man sich in jüngster Zeit fälschlicherweise zu sehr auf die kurzfristigen ökonomischen Wirkungen konzentriert, räumte Caruana ein. Man müsse sich wieder mehr um die soziale Stabilität und die Folgen der technologischen Entwicklungen kümmern. Ausnahmen verlangtDie geforderten Strukturreformen müssen “besser kalibriert” werden, verlangte Lagarde mit Blick auf die Politik und betonte, dass hierbei die richtige fiskalpolitische Begleitung besonders wichtig sei, um die ihre Reformumsetzung zu erleichtern. Das ist auch ein Anliegen des früheren italienischen Ministerpräsidenten und Notenbankchef Mario Monti. Er lobte Deutschland als die am stärksten langfristig ausgerichtete Nation, verlangte aber “pragmatische Ausnahmen”, damit die gewünschte langfristige Politik besser akzeptiert werde.