Frankreich

Riskanter Kurs

Deutschland hat es zum Hochinzidenzland erklärt, Marokko Flugverbindungen dort­hin gestrichen. Laut aktuellen Daten der Johns-Hopkins-Universität ist Frankreich mit 4,6 Millionen bestätigten Fällen inzwischen das am stärksten von der Corona-Pandemie...

Riskanter Kurs

Deutschland hat es zum Hochinzidenzland erklärt, Marokko Flugverbindungen dort­hin gestrichen. Laut aktuellen Daten der Johns-Hopkins-Universität ist Frankreich mit 4,6 Millionen bestätigten Fällen inzwischen das am stärksten von der Corona-Pandemie betroffene Land Europas. Doch Präsident Emmanuel Macron reagiert noch immer nicht. Er steht mit dem Rücken zur Wand – und hält bisher weiter beharrlich an seinem Ende Januar eingeschlagenen Kurs fest. Wissenschaftler und Ärzte hatten ihn damals angesichts der neuen Varianten gedrängt, eine dritte, strenge Ausgangssperre zu verhängen. Doch Macron setzte alles auf eine Karte. Dank der Impfkampagne, kombiniert mit ein paar Maßnähmchen, könne die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone einem strengen Lockdown entgehen, so seine riskante Wette.

Macron hoffte, wie bei den Präsidentschaftswahlen 2017 mit einem dritten Weg Erfolg zu haben, mit diesem für seine Politik so typischen „sowohl als auch“, einer Mischung aus Beschränkungen und gerade im Vergleich zum Beginn der Pandemie sehr vielen Freiheiten. Er will so gleichzeitig die Wirtschaft und die Psyche seiner Landsleute schonen, aber auch Proteste vermeiden und im Vorfeld des Präsidentschaftswahlkampfes punkten.

Diese gefährliche Wette könnte sich jedoch im nächsten Frühjahr bei den Wahlen als Bumerang erweisen. Bereits jetzt steht fest, dass Macrons Kalkül aus gesundheitspolitischer Sicht gründlich schiefgegangen ist. Ärzte und Krankenhäuser schlagen Alarm, und die Infektionszahlen an den noch immer geöffneten Schulen explodieren. Dennoch versicherte Macron erst am Wochenende hinsichtlich möglicher Beschränkungen, es sei noch nichts entschieden.

Trotzig wie ein Kind, das Unrecht hat, hält er an seinem Kurs fest und biegt sich Fakten zurecht. Wer ihm und seiner Regierung in letzter Zeit lauschte, fragte sich oft, ob er sich im Film geirrt habe. Frankreich stehe ja im Vergleich zu anderen Ländern angesichts der Pandemie gut da, so die Botschaft. Wissenschaftler hätten gewarnt, Frankreich werde ohne Ausgangssperre im Februar gegen die Wand fahren, behauptete Macron. Dabei hatten sie gesagt, ohne strenge Maßnahmen könnten die Infektionen ab Mitte März explodieren. Macron läuft mit seinem Kurs nicht nur Gefahr, dass er der Wirtschaft dauerhaft mehr schadet als mit begrenzten strengen Maßnahmen. Er muss sich nun auch den Vorwurf gefallen lassen, Fakten zu verzerren und vollkommen eigenmächtig zu entscheiden.

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