Rom bemüht sich um einen Kompromiss

Annäherung, aber noch große Unterschiede

Rom bemüht sich um einen Kompromiss

bl Mailand – Italiens Premierminister Giuseppe Conte bemüht sich intensiv, die Einleitung eines Defizitverfahrens der EU-Kommission gegen Italien noch zu verhindern. Der Regierungschef spricht von Fortschritten. Brüssel fordert jedoch weitere Anstrengungen Roms – vor allem struktureller Art. Italienischen Presseberichten zufolge ist die Regierung bereit, in ihrem Budgetentwurf für 2019 den Haushaltsfehlbetrag von bisher 2,4 % auf 1,9 bis 2 % zu reduzieren. Das soll Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria bestätigt haben.Der Minister traf sich am Montag in Brüssel mit Valdis Dombrovskis, dem Vizepräsident der EU-Kommission. Dieser lobte die Mäßigung des Tons der Regierung in Rom sowie ihre Bereitschaft, Anpassungen im Haushalt vorzunehmen, forderte jedoch deutlichere Korrekturen.Die beiden Vizepremiers Matteo Salvini und Luigi Di Maio, respektive auch Parteivorsitzende der Regierungsparteien Lega bzw. 5 Stelle, sollen Conte weitreichende Vollmachten gegeben haben. Um Brüssel jedoch substanziell entgegenkommen zu können, müsste Italien das Defizit gegenüber bisherigen Plänen um 8 Mrd. Euro reduzieren. Das ist jedoch kaum realistisch, weil die beiden Regierungspartner weder auf die Mindestsicherung von monatlich 780 Euro noch auf die Absenkung des Mindestrenteneintrittsalters verzichten wollen. Di Maio und Salvini gehen davon aus, durch diese Maßnahmen das Wachstum anzukurbeln und die Beschäftigung zu erhöhen.Das wird jedoch immer unwahrscheinlicher. Viele Beobachter erwarten inzwischen für 2019 sogar eine Rezession. Goldman Sachs hat die Wachstumsprognose auf 0,4 % zurückgenommen. Damit wird das Erreichen der Defizitziele sogar dann unrealistisch, wenn die Regierung tatsächlich substanzielle Einsparungen erreichen sollte. Denn bei ihrer Prognose geht sie für 2019 von einer Wachstumsrate von 1,5 % aus, die weit über allen anderen Vorhersagen liegt. Brüssel rechnet bisher mit 1 % und erwartet einen Haushaltsfehlbetrag von 2,9 %.Wie in Anbetracht dieser Diskrepanz eine Einigung gelingen soll, ist fraglich. Unterdessen erhöhen die Unternehmen des Landes den Druck. Angesichts des hohen Zinsaufschlags für italienische gegenüber deutschen Staatsanleihen, der seit Mai um die 300 Basispunkte pendelt, sind die Banken in Schwierigkeiten geraten und müssen ihre höheren Kosten in Form höherer Kreditzinsen weitergeben. Sogar eine Kreditklemme scheint möglich. Viele Unternehmen reduzieren ihre Investitionen. Am Montag hatten zwölf Wirtschaftsverbände zu Demonstrationen in Turin aufgerufen, an denen sich mehrere tausend Unternehmer beteiligten. “Wir sind am Ende unserer Geduld”, sagte Vincenzo Boccia, Chef des Industrieverbandes Confindustria. Die Aktionen richteten sich zwar in erster Linie gegen die Blockade von Infrastrukturprojekten wie dem Bau einer Bahn-Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Turin und Lyon. Doch die Unternehmer äußerten auch ihren Unmut über die Wirtschaftspolitik der Regierung, darunter das teilweise Zurückdrehen der Arbeitsmarktliberalisierung der Linksregierung unter Matteo Renzi.